Schauplatz Toronto:Ist "Indian" ein Wort, das Schmerzen bereitet?

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In Kanada gibt es Streit um das Bild "Indian Church" (Indianische Kirche, 1929) von Emily Carr. Weil der alte Titel als "diskriminierend" gilt, heißt das Bild nun: "Kirche im Dorf Yukuot".

Von Bernadette Calonego

Emily Carr ist wahrscheinlich Kanadas be-rühmteste Künstlerin und ihr Gemälde "Indian Church" (Indianische Kirche) ihr berühmtestes Werk. Jetzt hat das fast neunzigjährige Bild in Toronto einen neuen Namen erhalten, weil das Wort "Indian" als diskriminierender Ausdruck gesehen wird. So empfindet es wenigstens die Kuratorin der Art Gallery of Ontario, eines der bedeutendsten Kunstmuseen in Nordamerika. Es sei "ein Wort, das Schmerz bereite", sagte Georgiana Uhlyarik in einem Interview mit dem kanadischen Rundfunk CBC.

Diese Ansicht stößt indes vielerorts auf Kritik, selbst bei indianischen Künstlern. Emily Carr, die 1945 verschied, malte das Bild im Jahr 1929 und gab ihm den Namen. Sie wäre die letzte Person gewesen, die den kanadischen Ureinwohnern damit hätte Schmerzen bereiten wollen. Carr ließ sich in ihrer Kunst von indianischen Motiven inspirieren und verehrte die Kultur der Stämme in der Provinz British Columbia.

Nach einer Reise zu indigenen Dörfern an Vancouver Islands Westküste malte sie eine schmale weiße Kirche vor dem Hintergrund eines üppig wuchernden Regenwaldes mit dunklen, fast gespenstischen Grüntönen. Das Bild ist nun in "Kirche im Dorf Yukuot" umbenannt worden, nach dem Ort, an dem das Gebäude stand. Das hat kontroverse Reaktionen ausgelöst. Von "Zensur" spricht Jan Ross, Kuratorin der historischen Stätte Emily Carr House: Eine Namensänderung widerspreche den Absichten der Künstlerin, die sakrosankt seien. In kanadischen Medien äußerten sich auch indigene Künstler kritisch.

Sonny Assu, der auf Vancouver Island lebt, findet, der neue Name sei sogar problematischer als der alte, weil er die Geschichte der Kolonialisierung auslösche. Und der indigene Künstler Carey Newman erklärte der Zeitung Times Colonist, der Namenswechsel verschleiere bloß die Wahrheit darüber, wie die Leute damals gesprochen hätten. Man könnte in seinen Augen beim Bild ein Schild anbringen, auf dem das Wort "Indian" im historischen Kontext erläutert werde. Doch die Kuratorin Uhlyarik widersetzt sich: Wenn man den alten Namen stehen lasse, würde das Wort "Indian" weiter verletzend wirken.

Sie versicherte, das Museum habe als Erstes die indigene Gemeinde konsultiert, wo die Kirche stand, und die sei mit der Namensänderung einverstanden. Die Art Gallery of Ontario ist daran, potenziell beleidigende Namen weiterer Werke zu tilgen. Ein Kunstkritiker schrieb in der Zeitung Toronto Star, er habe das Gefühl, dass Emily Carr mit dem Namenswechsel einverstanden wäre, nach allem, was man über sie wisse. Das mag sein - oder auch nicht. Nur kann sie sich leider nicht mehr dazu äußern.

© SZ vom 06.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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