Schauplatz Tel Aviv:Selbstverpflichtet

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In Israel ist der Klimawandel kein Thema. Das Kunstmuseum in Tel Aviv stößt die Debatte jetzt mit einer Ausstellung an, in der keine Kunst, sondern Erfindungen gezeigt werden. Und lobt arabische Städte als Vorbilder.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Umweltschutz spielt in Israel im Vergleich zu Deutschland eine geringe Rolle: Es gibt keine Container für Altglas, in Geschäften bekommt man ungefragt Plastiktüten, und wenn es heiß ist in den Sommermonaten, dann läuft einfach die Klimaanlage durch. Auch in Israel wurden dieses Jahr bereits Temperaturrekorde gebrochen, die 50-Grad-Marke wurde am Toten Meer fast überschritten.

Während rund um den Globus über den Klimawandel diskutiert wird, gibt es darüber in Israel keine Debatten. Auch im Wahlkampf - am 17. September wird ein neues Parlament gewählt - ist dies, anders als in Deutschland, kein Thema. Die Grünen, die bei der Wahl 2015 mit 2992 Stimmen ein Ergebnis von 0,07 Prozent erreicht haben, sind dieses Jahr bei den Wahlen gar nicht mehr angetreten. Die Piraten dagegen versuchen, den Sprung in die Knesset zu schaffen.

Klimawandel ist in Israel kein Thema. Das Kunstmuseum in Tel Aviv stößt die Debatte an

Vermutlich braucht es in einem Land, in dem mehr über die Cannabisfreigabe als über die Folgen der Erderwärmung debattiert wird, tatsächlich eine Guerillataktik, um dem Thema breite Aufmerksamkeit zu verschaffen. Ausgerechnet das renommierteste Kunstmuseum des Landes hat sich das zur Aufgabe gemacht. Mit der Ausstellung "Solar Guerilla: Konstruktive Antworten auf den Klimawandel" überschreitet das Tel Aviv Museum of Art Grenzen. Denn was dort gezeigt wird, passt eigentlich nicht in ein Kunstmuseum: zum Beispiel ein zwei Schränke großer Apparat, der laut brummt und aus der Feuchtigkeit in der Luft Trinkwasser produziert. Von der Qualität kann man sich gleich selbst überzeugen und einen Becher trinken. Die Generatoren von Watergen sind eine israelische Entwicklung.

Jeder Besucher kann sich auch in einen "Personal Rapid Transit" setzen. Das Gefährt sieht wie eine Gondel aus und ist ein führerloses, spurgeführtes Personentransportsystem, das Fahrgäste individuell auf Bestellung ohne Zwischenhalt vollautomatisch an ihr Ziel bringt. Dieses Verkehrskonzept soll eine Alternative zu Taxis sein und ist bereits in Masdar in den Vereinigten Arabischen Emiraten im Einsatz. Ungewöhnlich ist, dass ein Museum in Israel eine arabische Stadt als Vorzeigeprojekt lobt. Die im Bau befindliche Ökostadt Masdar wird ausführlich dargestellt.

Mit 35 Beispielen versucht Kuratorin Maya Vinitsky zu veranschaulichen, welche konkreten Beiträge es vor allem in Städten rund um den Globus bereits gibt. Die Ausstellung ist in sechs Sektoren geteilt, zwei davon betreffen Bereiche, die man in Deutschland nicht mehr als Zukunftstechnologie vorstellen müsste: Passivhäuser und wie Dächer für Solarenergie genutzt werden können. Passivhäuser werden als "rigoroser und freiwilliger Standard für Energieeffizienz" definiert.

Besonders viele Beispiele finden sich aus Kopenhagen, der Hauptstadt Dänemarks. Es wird gezeigt, wie die grüne Klimastrategie in den Jahren 2013 bis 2015 umgesetzt wurde und welche Effekte es gab. Außerdem wird die Transformation von Parks und die Entwicklung von speziellen Öko-Ziegeln für Geh- und Fahrradwege dargestellt. Welche Maßnahmen an Gebäuden gesetzt wurden, wird anhand mehrerer Vorbilder aus Singapur verdeutlicht.

Auch aus Tel Aviv wird ein Projekt präsentiert: das 2018 fertiggestellte Hauptquartier von Checkpoint, einem der größten Softwareunternehmen in Israel. Das auf die Abwehr von Cyberangriffen spezialisierte Unternehmen hat entschieden, einen Anbau als grünes Projekt in Angriff zu nehmen: Die elf Stockwerke haben begrünte Fassaden, die für Schatten sorgen.

Warum sich just ein Kunstmuseum zu so einer technischen Ausstellung entschließt, erklärt Museumsdirektorin Tania Coen-Uzzielli mit den extremen Klimaveränderungen, die gleich am Anfang der Ausstellung drastisch dargestellt werden. Anhand von fünf Ländern, darunter Deutschland, werden Temperaturveränderungen in Jahresschritten zwischen 1881 und 2017 nachgezeichnet. Ihrer Ansicht nach habe auch ein Kunstmuseum eine "starke Verpflichtung", sich mit dem Klimawandel auseinanderzusetzen. "Das Tel Aviv Museum of Art will durch diese Ausstellung einen Beitrag leisten, damit es zu einer breiten öffentlichen Debatte kommt."

© SZ vom 14.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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