Schauplatz Tel Aviv:Kokon aus Klängen

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Eine neue Galerie im Zentrum der Stadt lädt mit einer Video- und Klanginstallation zum Abschalten und Auftanken gleichermaßen ein. Mit dem Projekt will die Galeristin in einer lauten Metropole einen Ort der Ruhe und Gelassenheit schaffen.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Tel Aviv ist ein Metropole, in der es sehr laut ist: Der Verkehr und die in einer Stadt üblichen Geräusche verdichten sich vor allem im Zentrum zu einer Klangwolke, in die man zwangsweise eintaucht. Oft fällt es im Alltag gar nicht mehr auf, wie stark das Gesumme und Getöne ringsum ist. Viele laufen mit Kopfhörer durch die Straßen und dämpfen den Lärm der Stadt, andere versuchen durch eigene Musik in andere Sphären zu gleiten, um die Welt ringsrum in dieser unruhigen Region zu vergessen.

Wenn es dunkel wird, dann wird vieles intensiver wahrgenommen. Das gilt auch für die Musik, die aus den Lokalen rund um das Gebäude Herzlstraße Nummer 16 im Herzen Tel Avivs dringt. Wummernde Bässe und Gesprächsfetzen von einem sehr trendigen Lokal und einer Bar im Erdgeschoss begleiten all jene, die die Treppen drei Stockwerke hinauf bis zum Dachgeschoss marschieren, vorbei an den offenen Büros mit vielen Glaswänden. Auf dem Dach befindet sich seit Anfang dieser Woche die neueste Galerie der Stadt, Room 25 genannt. Es ist ein Dark-Room, in den jeder ab 18 Uhr eintreten kann, wenn man vorher den zum Öffnen der Tür notwendigen Code erfragt hat.

In dem dunklen Raum, der wie ein Kokon wirkt, sind die Umrisse zweier Sessel sichtbar. Davor ist eine Videoleinwand, in der ein Film ohne erkennbare Handlung abläuft: Es sind manchmal nur Farbflecken in kräftigem Rot und Blau zu erkennen, dann viel Schwarz und schließlich verwischte Szenen, in denen Menschen sich berühren und küssen.

Die Betreiberin der Galerie sieht in Israel Nachholbedarf bei Video- und Klangkunst

Amor heißt die Ausstellung, in der Arbeiten des Videokünstlers Dor Zlekha Levy und des Musikers Aviad Zinemanas miteinander verschmelzen. Es sind nicht nur die Bilder, die in den Bann ziehen, sondern vor allem die Musik. Es ist ein mitreißender Soundteppich von fast esoterischen Klängen und fordernder Musik, sich überlappend und ergänzend. Es ist ein eigener Mix, der wunderbar zu Tel Aviv passt und zum Abschalten und Aufladen gleichermaßen einlädt.

Mit dieser Galerie und diesem ersten Projekt will die Betreiberin Hagit Emma Werner eine Art Ruhezone schaffen, "um trotz des Chaos unten in den Straßen eine Atmosphäre der Ruhe und Gelassenheit zu kreieren". Die Installationen sind für diesen Raum eigens geschaffen worden. "Israel ist weltweit an vorderster Front, was Technologie betrifft. Insofern ist es naheliegend, künstlerische Angebote bereitzustellen, die darauf eingehen. Klangkunst ist ein Medium, das sich entwickelt und hier auf großes Interesse und Aufmerksamkeit stößt", sagt die Betreiberin, die die erste Ausstellung auch selbst kuratiert hat.

Ihrer Meinung nach gibt es bei der Video- und Klangkunst noch Nachholbedarf in Israel, eine Lücke, die sie mit ihrem Angebot schließen will. Wie lange die Ausstellung geöffnet sein wird, soll auch von der Nachfrage abhängen. Die Besucher werden jedenfalls mit der Aufforderung entlassen, etwas von der Ruhe mitzunehmen, wenn sie wieder mit Musik im Ohr ins hektische Treiben auf den Straßen Tel Avivs zurückkehren.

© SZ vom 15.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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