Schauplatz Stockholm:Design gegen die Norm

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Warum haben bei Ikea Textilien meistens Frauennamen? Und warum sollen Büromöbel männlich sein? Oder warum lieben Jungs Blau und Mädchen Rosa? Im Architektur- und Designzentrum ArkDes untersucht eine Ausstellung Produkt-Stereotypen.

Von Silke Bigalke

Ein Raum mit wenigen Möbeln, schlicht, aufgeräumt und klar. Es dominieren helle Farben, viel Weiß, etwas Holz. Wer an skandinavisches Design denkt, hat ein bestimmtes Bild im Kopf. Nordische Produkte gelten als praktisch, zuverlässig, massentauglich und auch als Wohlfühlgaranten. Die Regierung in Stockholm hat 2016 beschlossen, mehr Werbung für schwedisches Design zu machen, um Export und Tourismus anzukurbeln. Was gefällt, verkauft sich - und das ist schließlich eine der ursprünglichen Aufgaben von Design.

Im Architektur- und Designzentrum ArkDes hat eine Ausstellung eröffnet, die das in Frage stellt. "Norm Form" zeigt Design, das nicht gefallen, sondern festgefahrene Vorstellungen aufbrechen soll. Dabei geht es nicht um das verbreitete Bild nordischer Nüchternheit, sondern um gesellschaftliche Stereotypen wie: Mädchen mögen Rosa, Jungen Blau. Es geht um Normen, die oft als neutral wahrgenommen werden, die aber tatsächlich diskriminieren, nach Geschlecht, sexueller Orientierung, Herkunft. Dann etwa, wenn Abdeckstifte immer hautfarben sind. Überhaupt: wenn mit "hautfarben" helle Haut gemeint ist.

Bei Ikea haben Textilien Frauen-, Büromöbel aber Männernamen

Ein großer Teil der Ausstellung beschäftigt sich mit Produkten, die in Form, Funktion und oft im Namen einem Geschlechter-Code folgen. Gendergerechtigkeit ist ein Thema in Schweden. In der Ausstellung wird etwa danach gefragt: Warum gibt es für Frauen Küchen-"Hilfen", für Männer aber Elektro-"Werkzeuge"? Und warum gibt Ikea seinen Textilien meist Frauen-, den Büromöbeln aber Männernamen?

Ein Begleitheft zur Ausstellung erzählt die Geschichte des kritischen Designs. Die Formgestaltung wird oft als eine Art Nebenprodukt der Industrialisierung dargestellt. Es soll attraktiv und profitabel sein, Menschen zum Kauf bewegen. Auch das "demokratische Design" aus Schweden, das sich jeder leisten können soll, folgt dieser Marktlogik. In den Sechzigerjahren entstand dann die Gegenbewegung, Designer begannen, soziale Strukturen zu kritisieren, auch in Skandinavien. Dort entwarfen sie damals beispielsweise das internationale Zeichen für Plätze, die für Behinderte reserviert sind. Das Rollstuhlsymbol ist heute längst auch zur Norm geworden.

Die Ausstellung in Stockholm zeigt, wie selbstverständlich sich manche Normen festgesetzt haben. Design kann so zum Machtfaktor werden. Es gibt vor, wie etwas funktionieren sollte.

Eine Jeans etwa ist nicht fürs Sitzen gemacht. Sie kneift weniger, wenn man sich darin bewegt. Die schwedische Designerin Louise Linderoth hat deshalb Jeans für Menschen im Rollstuhl entworfen. 2011 wurde die schwedische Designerin Iman Aldebe gebeten, ein Kopftuch zu entwerfen, das muslimische Polizistinnen zu ihrer Uniform tragen können. Die Geschwister Ana und Pablo Londono verstehen ihre Bomberjacken-Kollektion "this is Sweden" auch als Kritik an der europäischen Einwanderungsdebatte. Die Modeindustrie orientiert sich am weißen Europäer, für Flüchtlinge gibt es oft nur Secondhand-Spenden. Auf die gebrauchten Bomberjacken haben die Designer schwedische Flaggen genäht, auch um sie Nationalisten als Symbol wegzunehmen.

© SZ vom 25.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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