Schauplatz Stockholm:Dankbar für jedes Licht

Lesezeit: 2 min

Am Wochenende sind in Stockholm genau 710708 energieeffiziente Weihnachtslichter angegangen, viele in Form von Elchen. Aber auch die Rechtsextremen strahlen - über den Wahlausgang in den USA.

Von Silke Bigalke

Am Wochenende sind in Stockholm die Lichter angegangen. Um genau zu sein, sind es 710 708 energieeffiziente Weihnachtslichter, die nun in vielen Formen und Farben die Innenstadt erhellen. Am Nybroplan, gegenüber dem Dramaten, stehen wie jedes Jahr die sieben leuchtenden Elche, größer und graziler als echte Tiere. Beim Elch vorne rechts ist der Strom ausgefallen, die Touristen fotografieren dennoch fleißig. Ein paar Hundert Meter weiter, am Sergels Torg, erstrahlt eine Elchfamilie vor Tannenbäumen in silbernem Licht. Am Norra Latin stehen zwei Figuren, die an röhrende Hirsche erinnern, laut Beschriftung aber Rentiere sein sollen.

Sie gehören zum Lichtkonzept, das die Stadt vor einigen Jahren entwickelt hat, um Stockholm für Weihnachtsbesucher attraktiver zu machen. Über den meisten Innenstadtstraßen hängen nun Girlanden, aus Kunsttanne und Lichterketten, riesige, leuchtende Tannenzapfen, goldene Sterne, rote Kugeln, Kränze und Wasserfälle aus Licht. Drei verschiedene "Licht-Spaziergänge" hat die Stadt entworfen. Alles ziemlich kitschig, aber irgendwie zweckmäßig: Der November ist in Stockholm recht dunkel, bis zum Luciafest dauert es bis Mitte Dezember. Dann tragen Kinder in weißen Gewändern Kerzen durch die Gegend.

Der Ausgang der US-Wahl werde von Schwedens Rechten als Sieg gefeiert, heißt es hier

Licht ist wichtig, das merkt man schon daran, dass es in Stockholm gefühlt mehr Lampengeschäfte als Bäckereien gibt. Und nun beginnt die Zeit, in der manche Menschen die Tageslichtlampe gleich neben den Rechnerbildschirm auf ihren Schreibtisch stellen, um sich während der Arbeit anstrahlen zu lassen. Jede Lichtdusche ist willkommen. Im Park Kungsträdgården steht eine Weihnachtswichtelfamilie, zusammengesetzt aus weißen und roten Leuchtkugeln. Es ist eine Art Fotowand, durch die man seinen dann wahrscheinlich rot leuchtenden Kopf stecken kann, um zum Wichtel zu werden. Ein Mistelzweig hängt vor dem Hauptbahnhof unter einem Weihnachtsbogen. Der Wettbewerb für das beste Kuss-Foto unterm Zweig läuft über Instagram - alles reines Stadtmarketing, wie der gesamte Lichterzauber, den die Stadt gemeinsam mit Sponsoren finanziert.

Am Wasser in der Altstadt ist die Terrasse, die hinter dem Parlamentsgebäude in den Norrström ragt, von einer Brüstung aus Licht umgeben. Auf der Brücke gegenüber sind Lichterketten an den Straßenlaternen zu großen Kronleuchtern gerafft. Über diese Brücke sind noch am Wochenende zuvor die Neonazis marschiert, Mitglieder der rechtsextremen Gruppe Nordiska Motståndsrörelsen, der Nordischen Widerstandsbewegung. 600 sollen es gewesen sein, doppelt so viele wie bei der Demonstration im Frühjahr in Borlänge, und mehr als seit vielen Jahren. Sie haben Schilder mit hasserfüllten Sprüchen in die Luft gehalten, "Stoppt die Invasion" stand auf manchen. Der Ausgang der US-Wahlen würde von den Rechten als Sieg gefeiert, schreibt die schwedische Antirassismus-Organisation Expo danach. Mehrere Tausend Menschen haben gegen die Neonazis demonstriert, es gab Verhaftungen, Straßensperren, Bahnen sind nicht gefahren. Mittendrin streckten Kinder mit ihren Sankt-Martins-Laternen fest, sie kamen von einem Umzug. Die Weihnachtsbeleuchtung hing da zum großen Teil bereits, nur eingeschaltet war sie noch nicht.

Das Beste an den üppigen Lichterketten ist nun, dass sie auch in kleinen, sonst dunkleren Straßen und Winkeln hängen, abseits der ganzen Vorweihnachtskulisse. Für das Licht ist man dankbar. Weihnachtsstimmung will jedoch noch nicht so recht aufkommen.

© SZ vom 23.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: