Schauplatz Sofia:Ein Kino als Kulturzentrum

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1926 hat Maria Wlaikowa ein Haus der Volksbildung gestiftet, das bis heute als Kulturzentrum besteht.

Von Florian Hassel

Die Bulgarischlehrerin Maria Wlaikowa wusste genau, was sie in Sofia erreichen wollte: eine Kultureinrichtung aufbauen, die "nicht nur ästhetisches Vergnügen bereitet, sondern auch dazu dient, um die jüngere Generation und das Volk zu erziehen". Also nahm Wlaikowa einen Kredit auf, baute das erste Kino und Kulturzentrum Bulgariens und setzte auch gleich ein Testament auf. Als sie 1926, wenige Monate nach der Eröffnung, starb, erbte das Ministerium für Volksbildung das Haus - und die Verpflichtung, es auch künftig nur als Kino und Kulturzentrum zu nutzen. Und so leuchtet das zweistöckige "Wlaikowa" bis heute mit hellgelbem Anstrich an Sofias Zar-Iwan-Assen-II.-Straße.

Filmfans können im "Wlaikowa" nicht nur bulgarische Filme, "Toni Erdmann" oder die Komödie "Der König von Belgien" sehen, sondern auch eine Zeitreise antreten, wenn sie durch das jahrzehntealte Kinocafé mit Plakaten alter Filmlegenden gehen. Das Kino ist nicht nur Kino. "Wir bringen auch Folk- und Rockkonzerte oder Theaterstücke auf die Bühne", sagt Ilko Djugmedjijew, Generalsekretär des das Kino betreibenden Bürgerzentrums. Freilich sind die Zeiten täglicher Schlangen vor der Kasse vorbei. "Im Kommunismus gab es nur zwei Fernsehprogramme, also kamen die Leute zu uns", sagt Djugmedjijew. Andere staatliche Kinos wurden nach Ende des Kommunismus privatisiert, umgewandelt oder abgerissen, um Geschäfts- oder Wohnhäusern Platz zu machen. In den 90er-Jahren wollten Nachkommen des damaligen Ehemannes von Maria Wlaikowa das Haus in bester Lage von Sofia zurückhaben. "Wir haben ihnen das Testament gezeigt, das weit vor die Zeit des Kommunismus zurückreicht - und uns bis heute schützt", sagt Djugmedjijew. Kommunalkultur ist Mangelverwaltung, erst recht in Bulgarien. Das Kulturministerium zahlt nur die Gehälter - gut 37 000 Euro im Jahr für zehn Mitarbeiter. Das ist die Hälfte des Budgets. "Die andere verdienen wir selbst", sagt der Generalsekretär. Gern würde er den Balkon wieder in Betrieb nehmen, der für Publikum geschlossen ist, weil er dem Feuerschutz nicht mehr genügt. Und Iligna Hubenowa, die sich um das Kinoprogramm kümmert, träumt von einem modernen digitalen "DSP-Projektor, mit dem wir auch Filme wie den Oscarsieger ,Moonlight' zeigen könnten". Doch selbst in billiger Ausführung kostet so ein Projektor 45 000 Euro - und wird wohl nur im "Wlaikowa" landen, wenn seine Namensgeberin noch einmal auf die Welt kommt.

© SZ vom 29.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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