Schauplatz Rom:Trommeln auf der Brücke über den Fluss

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Der Ponte Sisto bietet ein unverstelltes Stadtpanorama für Selfies, Musik für jeden Geschmack - und Drogen.

Von Oliver Meiler

Zur Piazza Trilussa im Stadtteil Trastevere gelangt am besten und schönsten über den Ponte Sisto, die Fußgängerbrücke nicht weit vom Campo de' Fiori. Rechts die Kuppel von San Pietro, links die Tiberinsel. Alles da, ein unverstelltes Panorama, beliebt für Selfies mit Kulisse. In der Nacht sitzen auf der Brückenbrüstung junge Männer und verkaufen Drogen, sie zischen jeden Passanten an, aber das ist eine andere Geschichte. Sie hocken da, weil sie ihren Stoff mit einem Wurf leicht loswerden, wenn die Polizei kommt.

Früher hieß der Platz mal Piazza del Ponte Sisto, als wäre er nur die Verlängerung der Brücke, was ja auch nicht falsch ist. Nun gedenkt man da des römischen Dichters Trilussa, 1871 bis 1950, der bürgerlich Carlo Alberto Salustri hieß und so schrieb, wie die Römer reden, also im wüsten Slang. Es gibt prächtigere Plätze in Rom. Auf einer Seite rauscht die Uferstraße des Tibers, der Lungotevere mit seinem Höllenverkehr. Auf der anderen Seite haben die Römer einen Brunnen aufgestellt, der viel zu groß ist für den Platz und früher woanders stand. Eine Auftragsarbeit von Papst Paul V.

Und unter diesem Brunnen gibt es eine breite Steintreppe, fünfzehn Tritte lang, die sich im Lauf des Tages und, vor allem, der Nacht füllt und leert und füllt und leert. Die Menschen setzen sich hin, um zu essen, geschnittene Pizzastücke und Trapizzini von nebenan, und um Bier zu trinken, das sie in Minimarkets kaufen, die von Bangladeschern geführt werden. Manche rauchen auf der Treppe das Zeug, das sie auf der Brücke gekauft haben.

Sie ist auch eine Tribüne, eine Empore - wie geschaffen, um beschallt zu werden. Ständig bauen sich neue Straßenmusiker davor auf, ganze Bands mit professionellen Verstärkern und Solisten mit Instrumenten an jeder Extremität, furchtlose Anfänger, die es auch in eine dieser Castingshows schaffen könnten. Man ist ihnen ausgeliefert, zuweilen sogar ganz gerne.

Gerade sehr populär ist ein Duo, das sich "Ambo i lati" nennt, beidseitig - ein Begriff aus der Verkehrsordnung. Ein verbeultes, weißes Straßenschild dient als Logo, es lehnt am Mikrofonständer. Der Sänger spielt auch Gitarre, das kann er besser als singen. Die wahre Attraktion aber ist der Schlagzeuger, ein junger blonder Italiener. Er trägt Knieschoner, wie man sie an Skateboardern sieht, und trommelt, kniend eben, auf leeren Farbeimern aus Plastik, auf Metalltonnen und Schellenkränzen. Sehr beseelt tut er das, und erstaunlich rhythmisch dazu, melodisch sogar.

"Ambo i lati" spielen Coverversionen von Bruno Mars, Coldplay, Daft Punk, reine Mitgehmusik also, und es funktioniert, selbst die Bekifften wippen im Takt. Und sie übertönen, Gott sei Dank, die Geiger und Akkordeonisten, die den Touristen das Übliche bieten, die Serenaden und den Soundtrack des Paten, immer und immer wieder, in allen Gassen, vor jeder Trattoria. Der wilde Trommler mit den Knieschonern ist eine herrliche Befreiung von den Fiedlern, natürlich auch eine vergängliche.

© SZ vom 08.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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