Schauplatz Rio:Der Karneval vor dem Karneval

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Erst waren es Übungen der Sambatruppen, mittlerweile ist der "Pré-Carnaval" vom eigentlichen Ereignis nicht mehr zu unterscheiden.

Von Boris Herrmann

Eines der wichtigsten Gesetze von Rio de Janeiro lautet: Das Jahr beginnt nach dem Karneval. Davor lohnt es sich kaum, ins Arbeitsleben einzusteigen, weil sich die großen Weihnachts-Sommerferien mithilfe einiger Brückentage rund um den Feiertag zu Ehren des heiligen Stadtpatrons São Sebastião fast lückenlos mit der hochheiligen Karnevalswoche verbinden lassen. Bei genauer Betrachtung des Terminkalenders 2017 stellt man fest, dass die Festtage diesmal sehr spät liegen und bis in den März hineinragen. Theoretisch, aber wirklich nur rein theoretisch, wäre in den ersten beiden Februarwochen durchaus Zeit gewesen, mal wieder im Büro vorbeizuschauen.

Vielleicht auch deshalb - damit niemand auf dumme Gedanken kommt - haben die Cariocas den "Pré-Carnaval" erfunden. Dieser Karneval vor dem Karneval dauert etwa zwei Wochen. Am Anfang waren es vor allem öffentliche Übungsstunden der Blocos, jener Sambatruppen, die den Straßenkarneval bestreiten. Mit den Jahren kamen immer mehr Zuschauer zu diesen Proben, sie fingen an, sich zu verkleiden und mitzutanzen. Die Blocos setzten sich in Bewegung, gaben ihre Umzugsrouten öffentlich bekannt, und inzwischen ist der Vor-Karneval vom eigentlichen Karneval nicht mehr zu unterscheiden. Mindestens 450 Umzüge wird es in diesem Jahr in Rio geben. 110 waren bereits am vergangenen Wochenende unterwegs, fünf Tage bevor es offiziell losgeht.

Kenner der Szene sagen, sie würden nur noch zum Vor-Karneval gehen. Die Stimmung ist dort genauso gut wie beim Hauptkarneval, aber die Straßen und Plätze sind nicht ganz so überfüllt. Selbstverständlich gibt es auch einen Nach-Karneval, für diejenigen, denen es beim Vor-Karneval zu voll ist. Anders brächte man all die Blocos auch gar nicht im Kalender unter. Nahezu jeder Berufsstand hat seinen eigenen Umzug: die Anwälte, die Journalisten, die Fußballer, die Friseure, die evangelikalen Priester. Es gibt Blocos für Rentner, für Kinder und für schwangere Frauen. Auch die Pfleger und Patienten der größten psychiatrischen Klinik der Stadt ziehen mit Pauken und Trompeten durch die Straßen. Sogar die Hunde haben in Rio ihren eigenen Karnevalsumzug, die Herrchen dürfen natürlich auch mitkommen. Schlaue Hunde, die wissen, dass es bei diesem "Blocão" sehr voll werden kann, haben bereits am vergangenen Sonntag getanzt - beim Hunde-Pré-Karneval auf der Copacabana.

© SZ vom 22.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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