Schauplatz Peking:Singen die von Sex?

Lesezeit: 2 min

Die Talentshow "China has Hip-Hop" war letztes Jahr in China ein sensationeller Erfolg, der Partei aber ein Dorn im Auge. Nun kommt unter dem Namen "The Rap of China" die zweite Staffel: "Erbaulich und voller positiver Energie" soll sie sein.

Von Kai Strittmatter

Hip-Hop heißt jetzt Rap auf dem chinesischen Streamingportal iQiyi. Immerhin: Er lebt, Chinas Rap. Dabei war er schon totgesagt worden. Nicht wegen zu wenig, eher wegen zu viel Erfolg. "China has Hip-Hop" hieß die Talentshow auf iQiyi, die im vorigen Jahr ein sensationeller Erfolg war. Fast drei Milliarden Mal gestreamt. Die Show katapultierte Hip-Hop in China vom Untergrund in die Öffentlichkeit. "Auf einmal war Hip-Hop überall", erzählte der 33-jährige Rapper Hu Ziwen einer Shanghaier Zeitung: "Im Restaurant spielten sie Hip-Hop. Im Schwimmbad spielten sie Hip-Hop." Und Chinas Rapper, die bis dahin nur in Clubs und Bars auftraten, waren mit einem Mal Stars.

Aber der Hype hielt nicht lange. Die Partei wurde aufmerksam. Von was sangen die da? Von Bitches und Sex? Die Zensoren schauten genauer hin, gruben alte Verse aus von PG One und GAI, den beiden Gewinnern von "China has Hip-Hop": Drogen, Geld, Gangster, Gerechtigkeit, dazwischen nicht wenig Gefluche. Das Urteil der amtlichen Kulturwächter fiel schnell: "vulgär" und "obszön". Im Januar erließen die Behörden neue Regeln: Von jetzt an waren Tattoos im Fernsehen verboten, allzu glitzernder Schmuck. Von einem Tag auf den anderen verschwanden die Rapper wieder aus den Shows, von den Bühnen. Und nicht wenige sagten Hip-Hop tot.

Jetzt aber: zweiter Anlauf. Diese Woche kehrt die Show auf iQiyi zurück, zweite Staffel. Gut durchgekämmt. Neue Bühne, neue Jury, neuer Name: "China has Hip-Hop" heißt jetzt "The Rap of China". Das Wort "Xi ha" - lautmalerische Übersetzung für "Hip-Hop" - musste dem Begriff "Shuo chang" weichen. Das kann Rap heißen, bezeichnet aber ursprünglich traditionellen Sprechgesang. Klingt vertrauter, patriotischer. "Erbaulich und voller positiver Energie" will die Sendung nun sein.

Jugendkultur. In China noch immer Sache der Kommunistischen Partei. Hier hält die Zensur ihre schützende Hand über "Teenager und junge Erwachsene", natürlich allein deshalb: "um ihr kulturelles Leben zu bereichern, um sie ihre Sommerferien in einem Internet mit klarem Himmel und sauberer Luft verbringen zu lassen". Chinas Rundfunkaufsichtsbehörde hat das gerade klargestellt, ein paar Tage vor Anlauf der zweiten Staffel. Gesund für die Kids sind demzufolge "Werteorientierung und ideologische Führung".

Die Macher von iQiyi haben genau zugehört. GAI, der Sieger vom vorigen Jahr auch. Gerade hat er sein neues Video vorgestellt, der Song heißt "Great Wall". Textprobe: "Heldenhaftes Blut / das für die Verteidigung unserer großartigen Zivilisation vergossen wurde / Wir tragen den unermüdlichen Geist Chinas / unsere Präsenz erringt den Respekt der Welt". Kommentar eines Kritikers: "Klingt, als habe das ein 65-jähriger Kader aus der Provinz geschrieben." Chinas Rap hat überlebt, ja. Er wurde bloß kastriert.

© SZ vom 18.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: