Schauplatz Kapstadt:Vorsicht, netter Hund!

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Ein Dutzend Kinder tummeln sich auf Karussell, Wippe und Schaukel, eine Dame betritt die Szene, mit zwei Hunden. Sie lässt die beiden von der Leine, nimmt am Cafétisch Platz: "Wie schön für Kinder, wenn sie mit Hunden aufwachsen, nicht wahr?"

Von Tobias Zick

Es gibt Leute, die meinen, der Deutsche habe im weltweiten Vergleich ein auffällig inniges Verhältnis zu Hunden. Wer das meint, sollte sich mal in Südafrika umschauen. Kapstadt ist eine Stadt, die nach afrikanischen Maßstäben recht viele schöne öffentliche Parks hat und zudem immer mehr öffentliche Spielplätze. Die Parks sind für Hundebesitzer ein Paradies. Die Spielplätze auch.

Die Stadtverwaltung ist sichtlich bemüht darum, Interessenskonflikten vorzubeugen, und stellt an besonders hübschen Grünflächen Schilder mit der Botschaft auf: "This is a Poop Scoop Area". Hundehaufen bitte umgehend beseitigen. Der eingeweihte hundelose Grünflächenfreund allerdings weiß, dass er gerade dort, wo diese Schilder stehen, oft besonders stark vermintes Gelände betritt. Oder dies - zumal mit Kind - lieber gleich ganz unterlässt.

Es ist ein Phänomen, das nebenher offenbart, wie gespalten die Gesellschaft der "Regenbogennation" (in den Worten des Friedensnobelpreisträgers Desmond Tutu) bis heute ist. Hunde sind, wie schon damals in der Apartheid-Ära, besonders für weiße Südafrikaner lebende Schutzschilde gegen ihre bedrohliche Umwelt: das Land, dessen große Bevölkerungsmehrheit schwarz und arm ist und folglich den reichen Weißen vermeintlich rund um die Uhr ans Eigentum will, wenn nicht gar an Leib und Leben. Seit Ende der Apartheid vor mehr als 20 Jahren ist die schwarze Mehrheit zwar nicht mehr politisch unterdrückt, aber immer noch arm, und Elektrozaun und Alarmanlage gehören zum weißen Durchschnittshaushalt ebenso wie ein Hund - oder gleich drei bis fünf.

Spaziergänger mit Kampfhunden, ohne Leine, geschweige denn Maulkorb, sind ebenso alltäglich wie die folgende, zufällig ausgewählte Szene von einem der schönen öffentlichen Spielplätze: Ein Dutzend Kinder tummeln sich auf Karussell, Wippe und Schaukel, eine Mittfünfzigerin im Trainingsanzug betritt die Szene, ohne Kinder, aber mit zwei Hunden. Sie lässt die beiden von der Leine, nimmt am Cafétisch Platz, bestellt sich einen Cappuccino, während ihre Lieblinge sich unter die Kinder mischen und zwischen Karussell, Wippe und Schaukel herumtollen. Skeptische Blicke einzelner Eltern registriert sie aus dem Augenwinkel, nippt demonstrativ an ihrem Cappuccino und ruft dann: "Wie schön für Kinder, wenn sie mit Hunden aufwachsen, nicht wahr?"

Der größere ihrer beiden Lieblinge, glänzendes Fell und treue Augen, krümmt den Rücken, scheißt hechelnd ins Gras, gleich neben dem Karussell. Niemand sagt etwas, die Frau selbst schon gar nicht. Eine schwarze Familie hat schon längst vorher das Weite gesucht - die Kinder hatten, wie viele schwarze Südafrikaner, Angst vor den Hunden.

© SZ vom 05.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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