Schauplatz Kairo:Wie im Ramadan gelebt wird

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Im muslimischen Fastenmonat weicht die übliche Hektik der Stadt einer spürbaren Ruhe. Doch abends wird dann vielerorts geprasst. Und Kinder werden mit Geschenken überhäuft.

Von Paul-Anton Krüger

Wer dieser Tage nach Kairo kommt, erlebt eine besondere Zeit. Die Straßen sind mit lametta-ähnlichen Girlanden geschmückt, von Minaretten hängen grüne Lichterketten herab. Überall sieht man traditionelle Lampen mit buntem Glas, die oft noch in Handarbeit zusammengelötet wurden, Fanous genannt, und bunte Stoffe vom Zeltmachermarkt Khayameya, die inzwischen auch in Saudi-Arabien und andern Ländern zur Dekoration verwendet werden. All das sind die sichtbaren Zeichen für Ramadan, den heiligen Fastenmonat der Muslime - alte Bräuche aus teils vorislamischer Zeit, die bis heute gepflegt werden. In den Straßen werden am Nachmittag Iftar-Tafeln aufgebaut: Den Armen Essen zu geben, gehört zu den religiösen Pflichten der Wohlhabenden in diesen 30 Tagen. Ein bisschen erinnert manches an den Advent und die Weihnachtszeit in Deutschland.

Auch die Stimmung in der Stadt wandelt sich spürbar. Ihr Lebensrhythmus stellt sich um auf die Fastenzeit, die mit der μMorgendämmerung beginnt und erst mit dem Sonnenuntergang endet; in Kairo heißt das: Fastenbrechen um sieben Uhr abends. Suhur, die letzte Mahlzeit vor Anbruch des Tages, muss bis um drei Uhr morgens eingenommen werden. Die Zeit dazwischen verbringen viele Menschen im Kreise der Familie. Eigens produzierte Ramadan-Serien im Fernsehen, von ihrer Handlung oft ebenso klebrig-süß, wie die dazu verzehrten Zuckerbäckereien, sind ein populärer Zeitvertreib. Die Sender geben einen Großteil ihrer Budgets dafür aus. Und sogar die Werbespots werden speziell für Ramadan gestaltet. Manche bieten mehr Gesprächsstoffs als die Serien selber.

In den Tagen der Besinnung werden die Kinder oft mit Geschenken überhäuft

Viele Ägypter, ohnehin gewohnt, gerade in den heißen Sommermonaten lang aufzubleiben, gehen in den Nachtstunden gar nicht zu Bett. Sie schlafen erst, nachdem sie das Morgengebet verrichtet haben. Die Tage sind die längsten des Jahres, die Regierung hat die Umstellung auf Sommerzeit deswegen bis nach Ende des Ramadans verschoben. Jetzt im Juni macht die Hitze das Fasten noch schwerer. Nicht einmal einen Schluck Wasser trinken gläubige Muslime, trotz Temperaturen um die 40 Grad im Schatten. Auch das Rauchen ist ihnen verboten, obschon man hinter manchem bis auf einen Spalt tief heruntergelassenen Metallrollladen von Cafés auch tagsüber das Gurgeln einer Wasserpfeife hören kann.

Die sonst vorherrschende Hektik und oft auch Aggressivität weichen weithin einer entspannteren Gemütslage - oft auch Schläfrigkeit. Der Ramadan gilt als Monat der Besinnung, Einkehr und des Friedens. Die Menschen versuchen, Streit zu vermeiden. Nur abends, wenn alle zum Fastenbrechen nach Hause hasten, vergisst mancher die guten Vorsätze; in der Stunde vor Sonnenuntergang gibt es die meisten Auto-Unfälle auf den Straßen der 20-Millionen-Metropole. Eigentlich ist der Ramadan auch eine Zeit der Mäßigung, doch ist er vielerorts zum Monat des Konsums geworden. Kinder werden überhäuft mit Geschenken, Familien sparen lange, um sich im Ramadan etwas leisten zu können, es wird geprasst. Vieles von dem Essen wird wiederum weggeworfen. Auch das erinnert an Weihnachten in Europa.

© SZ vom 29.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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