Schauplatz Herzliya:Zwei Häuser, zwei Völker, ein Land

Lesezeit: 2 min

Der israelische Künstler Micha Ullman hat sein eigenes Heim ins Museum im israelischen Herzliya verlegt, genauer: mit dünnen Linien nachgezeichnet. Ob das sein eigenes Haus rettet?

Von Alexandra Föderl-Schmid

Ein Haus - verlegt ins israelische Herzliya Museum of Contemporary Art, die Umrisse aus Erde nachgezeichnet: Die Mauern bestehen aus dünnen Linien, Möbel sind auch als Fläche dargestellt. Der Besucher erkennt die Anordnung der Räume, Küchentisch und Betten, Computer, Toiletten - alles mit satter rostbrauner Erde dargestellt, die sich vom weißen Boden abhebt.

Der israelische Künstler Micha Ullman hat in der riesigen lichten Halle des Museums den Plan des Erdgeschosses seines Heims fast in Originalgröße auf den Boden projiziert und die Einrichtung gleich mit dazu. Ullman, der bis 2005 als Professor für Bildhauerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart gelehrt hatte, erklärt Architekturstudenten aus Deutschland bei einer Führung, dass er nicht alle Gegenstände im Haus aufgenommen habe. Nur diejenigen, die eine starke Verbindung zum Körper haben, "weshalb die Toiletten dazu gehören".

Auch ohne Ullmans Erklärungen kann man sich in das Leben der Familien hineinversetzen und den Tagesablauf erahnen. Es ist ein Zweifamilienhaus, Ullmans Nachbarn leben mit ihren zwei Töchtern im zweiten Teil des Gebäudes. Für den Künstler, der 2009 mit dem renommierten Israel-Preis ausgezeichnet worden ist, liegt darin eine politische Metapher: "Wenn zwei Familien auf einem Stück Land leben können, dann können auch zwei Völker auf einem geteilten Stück Land leben".

Das Thema Zusammenleben zwischen Palästinensern und Israelis beschäftigt Ullman seit Jahrzehnten: 1972 startet er sein Messer-Metzer Projekt, genannt "Landtausch". Im arabischen Dorf Messer und im Kibbuz Metzer wurde Erde auf einem gleich großen Stück Boden abgetragen und ausgetauscht. Nach einer Weile waren keine Unterschiede mehr zu merken.

Der inzwischen 80-Jährige lebt seit 1974 in dem Haus in der Geulim-Straße in Ramat Hasharon, das 1947 für neue Einwanderer gebaut wurde. Er selbst wurde 1939 in Tel Aviv geboren, nachdem seine Eltern vor den Nazis aus Thüringen ins damalige Palästina geflohen waren. In Deutschland ist Ullman vor allem durch sein Kunstwerk am Berliner Bebelplatz bekannt - die nicht leicht zu entdeckenden unterirdischen leeren Bücherregale, die an die Bücherverbrennung der Nazis erinnern.

Sein "Zwei-Familien-Haus" im Museum können die Besucher vom Rande bestaunen, aber auch hineingehen. Es gibt auch Fotografien, die die Geschichte des Hauses dokumentieren. Dass sein Kunstwerk auch nach mehreren Wochen noch so intakt ist und nur an wenigen Stellen die 15 Zentimeter hohen, schmalen Linien bröckeln, wundert Ullman und lässt ihn auf die Sorgfalt der Besucher schließen. Beide Häuser - das replizierte im Museum und das reale, wenige Kilometer entfernt - werden demnächst zerstört. Denn Ullmans Haus muss einem der vielen Neubauten weichen.

© SZ vom 20.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: