Schauplatz Berlin:Nachstellungen im Bikinihaus

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Das Zehlendorfer Haus am Waldsee, in dem zeitgenössische Kunst gezeigt wird, muss saniert werden. In dieser Zeit präsentiert sich das Haus mit einem kleinen Museumsshop im Bikini Berlin. Eine Schau.

Von Jens Bisky

Das Berliner Wohnideal - "vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße" - erscheint noch immer unerreichbar, aber einige Räume haben sich ihm schon recht weit angenähert. Im Bikinihaus zum Beispiel kann sich Katja Blomberg entscheiden, ob sie auf den Breitscheidplatz mit Wasserklops und Gedächtniskirche schauen will oder doch lieber hinüber in die Baumwipfel des Zoologischen Gartens. Katja Blomberg leitet das Zehlendorfer Haus am Waldsee, in dem seit 1946 zeitgenössische Kunst gezeigt wird. Derzeit wird die Ausstellungsvilla saniert. Das soll ein Jahr dauern, und in dieser Zeit präsentiert sich das Haus am Waldsee mit einem kleinen Museumsshop im Bikini Berlin.

Die erste Schaufensterausstellung auf den Dachterrassen, den Zoo im Blick, zeigt "Nachstellungen" der Musikerin und Künstlerin Christiane Seiffert, die Bildpostkarten und Fotos sammelt und diese dann mit wenigen Hilfsmitteln und vollem Körpereinsatz nachstellt. Heraus kommen mal heitere, mal verblüffende Bildpaare. Auf dem rechten Foto neigt sie sich so wie die müde Pflanze links. Welche mimetischen Anstrengungen nötig sind, um Luthers Sterbehaus, den Fernsehturm oder den Republikpalast nachzustellen, lässt sich in der Ausstellung studieren. Es geht immer um zweierlei, um physiognomische Ähnlichkeit, damit ein Motiv wiedererkennbar wird, und um Ausdruck des Wesentlichen, einer Emotion, eines Zustands.

Das Bikinihaus ist dafür und als Zwischenquartier des Hauses am Waldsee ein schöner Ort. Nach dem Umbau beherbergt das Kleinod der Nachkriegsmoderne ein Einkaufszentrum, in dem Atmosphäre und Urbanität des alten Berliner Westens ein weiteres Mal erfunden werden. Während die Bauart in Dutzenden Shopping Malls der Stadt dem Besucher deutlich sagt, dass man ihn hier in seiner Konsumentenrolle verachtet und nicht viel von ihm hält, bietet das Bikini nicht nur viele Dinge, die einer eher haben möchte als brauchen kann. Es weckt vor allem den inneren Flaneur, der hier schaut, da den Kopf schüttelt und am liebsten mit angeleinter Schildkröte herumlaufen würde.

Beim Sundowner unterm Sommerhimmel dann, den Zoo und die kletternden Äffchen im Blick, fragt man sich natürlich, wie das Bikinihaus nachzustellen wäre, ohne albern mit Damenbekleidung herumzufuchteln. Im alten West-Berlin standen hier Hunderte Nähmaschinen zur Fabrikation von Damenoberbekleidung. Daher der Name, und weil das zweite Geschoss damals ein offenes war. Die Nachstellung des Bikinihauses müsste zugleich das Unnachahmliche Berlins nachahmen, das Ineinander von Metropolengewusel und Kurstadtatmosphäre.

© SZ vom 21.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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