Schauplatz Berlin:Im Haus des Einen

Lesezeit: 2 min

In Berlin-Tiergarten, in den prachtvollen Räumen der Botschaft der Vereinigten Arabischen Emirate, traf man sich zum gemeinsamen Fastenbrechen.

Von Gustav Seibt

Es ist immer ein schöner Anblick, wenn die nahöstlichen Buchreligionen, denen ihr Gott die Wahrheit offenbarte, einander ihre Duldsamkeit versichern. So geschah es am Mittwochabend in Berlin-Tiergarten, in den prachtvollen Räumen der Botschaft der Vereinigten Arabischen Emirate, eines Staatswesens, das, wie man bei dieser Gelegenheit erfuhr, über ein "Ministerium für Toleranz" verfügt. Die weltoffenen Emirate, ein wichtiger Handelspartner Deutschlands, hatten zusammen mit dem "Zentralrat der Muslime" zum gemeinsamen Fastenbrechen geladen, dem Iftar, der inzwischen zum Festkalender der multireligiösen Gesellschaft gehört.

Und bei dieser Gelegenheit war neben dem Wahrheitsanspruch auch eine weitere interreligiöse Gemeinsamkeit zu bewundern, die Präsenz des eleganten Priesters, der im katholischen Milieu als "prete bello" bekannt ist. "Preti belli", das sind sowohl der Imam Benjamin Idriz, der in sonorer Modulation den arabischen Gebetsruf vortrug, als auch Bischof Markus Dröge von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburgs. Dröge vermag sein rhetorisches Salböl so silbengenau geschult zu phrasieren, als spreche er gegen das Echo einer düsteren Hallenkirche an, dabei redete er vor runden Dinnertischchen und an den Wänden umlaufenden barockisierenden Damastsofas. Die Nathan-der-Weise-Stimmung wäre perfekt gewesen, wäre ein Vertreter des von allen Seiten erwähnten Judentums zu Wort gekommen.

Bis zu vierzehn Stunden kann sich ein sommerlicher Fastentag ausdehnen

Benjamin Idriz beschwor die Hingabe Abrahams, die Gerechtigkeit und den Mut von Moses, die Liebe Jesu und Mohammeds Friedfertigkeit als gemeinsame geistliche Schätze. Bischof Dröge erinnerte an die alt- und neutestamentliche Grundlage des Fastens, die vierzig Tage, die Moses und Jesus jeweils in der Wüste verbrachten, bevor sie sich mit ihrem Gott ins Benehmen setzten - Präfigurationen des Ramadan der Muslime. Da ist es nicht weit zu dem "House of One", dem Gebetsraum für den einen Gott, der in Berlin am Petriplatz entstehen soll und der Dröge ein Herzensanliegen ist.

Bevor das Fasten gebrochen werden konnte, sprachen natürlich auch weltlichere Redner, diplomatisch-herzlich der Botschafter der Emirate, angemessen fromm Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime und erst launig, dann ernst Sigmar Gabriel für die Bundesregierung. Den kleinen Scherz, den der Vizekanzler zum Thema Fasten und einschlägigen Vorschlägen seiner Frau machte, hatten wir offengestanden erwartet. Gabriels Grußwort war die dritte der fünf Reden, von denen drei auch ins Arabische übersetzt wurden (beeindruckend: Mustafa Al-Slaiman).

Eine kleine protokollarische Herausforderung war die Abstimmung mit dem Moment des Fastenbrechens selbst, am Mittwoch genau um 21.37 Uhr. Strenge Muslime fasten auch im nördlichen Berlin nach arabischem Gesetz von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, also viel länger als die vom Propheten vorgesehenen acht Stunden. Bis zu schier übermenschlichen vierzehn wasser- und nahrungslosen Stunden kann sich ein sommerlicher Fastentag ausdehnen - man stelle sich das, nebenbei, erst am Polarkreis vor!

Daher wird bei einem solchen Fastenbrechen durchaus mit verstohlener Begier auf Schälchen mit zuckerhaltigen Datteln geschielt und auf die Fruchtsaftgläser, an denen die christlichen Gäste schon nippen dürfen. Gabriel, der nicht fastet, redete dafür eine Spur zu lang. Also zog man Benjamin Idriz' Gebetsruf vor, um diskret freie Bahn für Datteln und Säfte zu geben, zumal von den Seitenwänden schon sehr verführerisch die Büfetts mit überwiegend marokkanischen Köstlichkeiten dufteten. Doch waren die Gäste viel zu höflich, um während der abschließenden Ansprache von Bischof Dröge schon zuzugreifen. Diese gemahnte, wie eine österreichische Schriftstellerin an unserem Tisch überrascht bemerkte, im Duktus an die getragene Beredsamkeit der Pastoren aus Fontane-Romanen. Um 22.04 Uhr konnten die Gäste dann zugreifen.

© SZ vom 24.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: