Schauplatz Berlin:Es gibt kein Bier bei Bushido

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Der Rapper Bushido unterhält ein nettes, sauberes Restaurant. Aber warum ist es so schlecht besucht?

Von Gustav Seibt

An dieser Stelle müssen wir wieder über Bushido reden, genauer: über Anis Ferchichi. "Bushido" ist der beliebte Berliner Rapper, der gelegentlich grundlos Stress macht um aufzufallen. Anis Ferchichi, so der bürgerliche Name, ist ein mittelständischer Unternehmer, der Arbeitsplätze schafft und Steuern zahlt. Zu Ferchichis Unternehmen zählt ein kastenförmiges Gebäude auf dem ehemaligen Grenzstreifen zwischen Neukölln und Treptow: Unten eine Motorradwerkstätte neben einem Büro (es ist das des Besitzers), darüber ein türkischer Hochzeitssaal, über diesem zwei Geschosse eines Fitness-Studios. Eine kleine, gut funktionierende Welt. Die Hochzeiten sind bunt und schön, das Fitness-Studio wird auch von den Frauen der Umgebung gern besucht.

Seit einem Jahr ist ein weiterer Betrieb hinzugekommen, ein Schnellrestaurant mit mediterraner Systemküche, man serviert Speisen nach arabischer und italienischer Küche. Es ist hell, sauber, freundlich, bei großen Fußballspielen gibt es oben an die Wände montierte Bildschirme. Das ganze Gebäude ist proper, gerade saniert, ein Lichtblick in der Unwirtlichkeit des ehemaligen Niemandslands. Derzeit ist es allerdings auch eine Insel, weil auf der westlichen Seite die Riesenbaustelle der A 100 den Zugang nach Neukölln erschwert. Gegenüber liegt eine Kleingartenanlage von 1911, auf der Ostseite tuckert die S-Bahn nach Schönefeld, hinter dieser erstreckt sich ein ostbürgerliches Wohnviertel von 1910 mit schönen Altbauten, biodeutsch, ungentrifiziert.

Dass Bushido-Ferchichi in dieser Umgebung auf Gepflegtheit achtet und der Berliner Ästhetik des Abgerockten keine Zugeständnisse macht, ist klug. Ein hässliches rosa Graffito, das jüngst behauptete, "B. is gay", verschwand so schnell wie vermutlich noch nie eine Schmiererei in Berlin.

Trotzdem wird das neue Lokal von der näheren Umgebung nicht recht angenommen. Dabei kann man hier Mitwirkende von Bushidos letzten Videos live am Tischchen im Freien sitzen sehen, neben vielen Männern mit asphaltglitzernden Haarmatten über sorgfältig ausrasierten Seiten. Die Bärte, die hier getragen werden, sind arabian oder Hipster-Chic, nicht aber salafistisch. Denn die Frauen, die mit den Männern unterwegs sind, sind keineswegs verschleiert, kein Kopftuch versteckt üppige Frisuren, die eher an Melania Trump als an Bio-Mütter in Prenzlauer Berg erinnern.

Warum kommt also kaum jemand aus der Umgebung? Kein Gast aus den Kleingärten, kaum jemand aus den schönen Mietshäusern hinter der S-Bahn. Dabei gäbe es den Bedarf, Spätis und Kneipen sind rar in der stillen Gegend. Wir vermuten: Weil kein Bier im Angebot ist. Man bekommt Cola, Säfte, Ayran, alles, was jeder Döner-Laden Berlins auch hat, aber kein Bier, und das haben die Döner-Läden sonst ja auch immer, im Übrigen auch die oft von Türken betriebenen Spätis. Gerade diese bunkern gewaltige Vorräte aller Sorten zwischen Tegernseer Hell und Flensburger Pils.

Nicht so bei Bushido-Ferchichi. Es ist schwer, das nicht als Signal an die umgebende Wohnbevölkerung aufzufassen. Wer will zum Fußballschauen kommen, ohne den bekanntlich schon vor zehntausend Jahren im Alten Orient erfundenen vergorenen Getreidesaft? Ey, Bushido, gib uns mal ne Flasche Bier!

© SZ vom 05.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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