Schauplatz Berlin:Belle Époque, sozialistisch

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Das ehemalige Grand Hotel Berlin, eröffnet am 1. August 1987, war Honeckers Antwort auf die Leading Hotels of the World. Von außen war es spätsozialistischer Wilhelminismus - und innen: Belle Époque.

Von Jens Bisky

Ein oder zwei Generationen von Neuberlinern werden die berühmte Kreuzung Unter den Linden/Friedrichstraße als Baustellenlandschaft in Erinnerung behalten. Erst mussten das Lindencorso und das Hotel Unter den Linden weichen, kecke DDR-Moderne der Sechziger. Derzeit wird an der U-Bahn gewerkelt. Einst mischten sich an dieser Kreuzung das Repräsentative und das Verruchte im Zeichen des Geschäftemachens. Heute herrscht geheimnisfreie Nüchternheit. Etwas Abwechslung, kein Versinken, aber doch ein Planschen in Erinnerungen, bietet an der Südwestecke das Hotel Westin Grand.

Als Grand Hotel Berlin wurde es am 1. August 1987 eröffnet. Als erstes Haus der DDR zählte man es zu den "Leading Hotels of the World". Die Übernachtungen mussten in D-Mark bezahlt werden, ein Einzelzimmer ab 275 DM. Aber es gab auch Restaurants für alle, teuer zwar, doch es konnte hier auch tafeln, wer kein Westgeld besaß. Die Teilung der Stadt kehrte also im Haus wieder: Ein Ostberliner mochte sich im neuen Café Bauer betrinken, die Freitreppe, die achteckige Halle unter violetter Glaskuppel blieben ihm verschlossen. Nur vier von außen zugängliche Einrichtungen des Hauses durfte er betreten.

Küche und Kellner waren ausgezeichnet, die Architektur von außen so etwas wie spätsozialistischer Wilhelminismus, innen Belle Époque à la Honecker. Beides nicht ohne Reiz, aber es widersprach dem gewohnten Bild vom Arbeiter- und Bauern-staat. Die Welt argumentierte gegen krasse soziale Unterschiede: "Hier können sich ,Krupps', aber keine ,Krauses' ein Zimmer leisten; "Genosse Schickimicki", spottete der Spiegel, die FAZ fand es "Wie zu Kaisers Zeiten". Der Hotelchef sah den Auftrag des Interhotels Grand Hotel Berlin darin, "unseren westlichen Gästen die Angst vor der Grenze zu nehmen". Die Mauer lag nur einige Hundert Meter entfernt. Man bot einen Limousinenservice an vom Flughafen Tegel in die Friedrichstraße, dann ging es auch schneller mit der Einreiseprozedur.

Mit seinem glanzbemühten Historismus fügt sich das Grand Hotel heute bestens in die Friedrichstraße. An mehreren Stellen inszenierte man damals Inseln lokaler Tradition neu: rund um den Kollwitzplatz, im Nikolaiviertel, in der Sophienstraße in Mitte. Selbst über den Wiederaufbau des Berliner Schlosses soll Honecker ja damals nachgedacht haben. Das Riesenhotel an der legendären Kreuzung war das großstädtische unter all diesen Vorhaben, nicht Kunsthandwerk, Pracht sollte her.

Wenige Schritte weiter, Friedrichstraße 165, bezogen im Dezember 1989 unabhängige Gruppen der Bürgerbewegung ihr "Haus der Demokratie". Es blieb dort bis 1999. Das Hotel gegenüber bietet in diesem Jahr ein "Mauerspecht-Arrangement", die "exklusive Gelegenheit", sich ein "eigenes Stück Zeitgeschichte von einem Original Segment der Berliner Mauer, welches vor unserem Hotel steht, herauszumeißeln". Dazu gibt es Zertifikat, Currywurst und ein Glas Champagner. Das ist es, was Berlin-Besucher wollen?

© SZ vom 04.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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