Russland:Nationalisten stürmen Galerie

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Immer wieder kommt es in Russland zu Angriffen auf die Kunstfreiheit. Jetzt wurde eine Schau des Künstlers Wassilij Slonow in Moskau attackiert.

Von Ekaterina Kel

Ein neuer Fall von nationalistisch motivierter Kunstzerstörung erregt in Russland Aufsehen: Am vergangenen Mittwoch wurden in Moskau Werke des Künstlers Wassilij Slonow in einer Ausstellung mit dem Titel "Himmlisches Jerusalem" mit Farbe und einer übel riechenden Flüssigkeit beschädigt. Zwei Objekte wurden außerdem aus der Galerie "11.12" im Zentrum für zeitgenössische Kunst "Winzavod" entwendet. Das berichtete zunächst der Fernsehsender Doschd. Auf einem Video, das Galeriebesitzer Alexander Scharow auf Facebook veröffentlichte, sieht man eine mit roter Farbe beschmierte Leinwand, darauf ein Porträt des russischen Präsidenten Wladimir Putin neben einem Totenschädel auf schwarzem Grund und ein Zitat aus dem Alten Testament über Leben und Tod.

Die Gruppe "Serb", eine radikal patriotische, antiliberale und putinfreundliche Bewegung, hat sich im Internet zu dem Übergriff bekannt. "Diese Ausstellung beleidigt offen das Volk, die Geschichte und den Präsidenten Russlands", schreibt sie auf ihrer Vkontakte-Seite, einer russischen Version von Facebook. "Serb", das für "South East Radical Block" steht und sich im Zuge des Ukraine-Konflikts formiert hat, habe deshalb "radikal, wie immer, die Ausstellung gesprengt". In dem Video hört man einen der Männer vor der Galerie fragen "Warum liebt ihr Russland nicht?" Ein anderer spuckt einem Anwesenden ins Gesicht.

Der Vorfall ereignete sich am ersten Tag der Ausstellung, die sich, Slonow zufolge, mit den "Schicksalen der Welt im Allgemeinen und mit dem schiefen Schicksal der russischen Zivilisation im Besonderen" auseinandersetzt. Die Galerie will die Schau wie geplant bis zum 20. Oktober fortsetzen. Die Besucher werden vor dem "unangenehmen Geruch" gewarnt und auf Schäden an den Werken hingewiesen.

Wassilij Slonow selbst, der im sibirischen Krasnojarsk lebt, bestreitet jegliche politische Intention seiner Kunst. Die nationalistischen Aktivisten hätten seiner Meinung nach das "Wort Gottes" in seiner Kunst nicht verstanden. Im Übrigen wünsche er sich, dass er zusammen mit den Übeltätern in derselben Gefängniszelle lande: "Einfach, um zu reden." Slonow ist bekannt für seine provokante Kunst. 2013 zeigte er Werke in einem Museum in Perm: Stalin-Karikaturen, Handgranaten, die wie Matrjoschkas aussehen, Olympische Ringe aus Stacheldraht. Darüber stand "Welcome! Sochi 2014". Der Gouverneur der Region vergab den Werken daraufhin das Prädikat "russenfeindlich", der Direktor des Museums wurde entlassen.

"Serb"-Anhänger haben schon öfter Kunst-Events gestört. 2016 bespritzte ein Aktivist der Gruppierung Werke des US-Fotokünstlers Jock Sturges vermutlich mit Urin, 2017 wurde die Vorführung eines Films über den Ukraine-Konflikt gestürmt, im Mai dieses Jahres traf es eine weitere Ausstellung. Dass Kunst in Russland heftige Reaktionen auslöst, ist keine Seltenheit. So hatte etwa in diesem Frühjahr ein Betrunkener in der Moskauer Tretjakow-Galerie mit einem Metallpfosten auf eines der berühmtesten Bilder des Landes eingeschlagen.

© SZ vom 18.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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