RTL: Anke Schäferkordt im Gespräch:"Wir ernten die Früchte"

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Fernsehen in der Krise: RTL-Geschäftsführerin Anke Schäferkordt erklärt, wie der Sender fast 100 Millionen Euro eingespart hat, und warum Geld nicht immer mit Qualität zu tun habe.

C. Keil, M. Moorstedt

SZ: Frau Schäferkordt, RTL hat im ersten Halbjahr 2009 fast 100 Millionen eingespart, die Quoten sind so gut wie seit 2005 nicht mehr. Warum sind Sie nicht früher auf die Idee gekommen, Programm auf diesem Kostenniveau zu machen?

RTL-Geschäftsführerin Anke Schäferkordt: "Wir haben unsererseits gespart, und das müssen Produzenten in diesen Zeiten auch." (Foto: Foto: oH)

Anke Schäferkordt: Wir haben nicht nur im Programm gespart, sondern in allen Bereichen über die ganze Gruppe in Deutschland hinweg. Tatsächlich haben wir schon vor einigen Jahren angefangen, genau diesen Prozess einzuleiten und unsere eigenen Strukturen zu hinterfragen mit dem Ziel, bei bleibender Qualität so effizient wie möglich zu produzieren. Jetzt ernten wir die Früchte.

SZ: Zahlen die Produzenten die Zeche?

Schäferkordt: Wir verlangen von den Produzenten nichts, was wir selbst nicht erbringen. Wir haben unsererseits gespart, und das müssen Produzenten in diesen Zeiten auch. Unsere aktuellen Programmerfolge in allen Genres zeigen, dass es gemeinsam geht. Wir wollen langfristig mit unseren Produzenten zusammenarbeiten.

SZ: Normalerweise verbessert sich die Qualität, wenn mehr Wettbewerb herrscht. Spüren Sie das? Ist das die kreative Chance der Krise, von der auch gesprochen wird?

Schäferkordt: Ja, die Krise ist auch Chance, Gewohnheiten zu hinterfragen, aufzubrechen und Raum für Neues zu schaffen. Die Frage bleibt, wie Sie Qualität definieren. Qualität hängt für mich neben guten Geschichten, handwerklicher Qualität und Relevanz immer auch mit dem Zuschauererfolg zusammen. Welchen Maßstab legen Sie an?

SZ: Auch inhaltliche jedenfalls. Fehlt das Geld für ein Format, sieht man es ihm inzwischen schnell an.

Schäferkordt: Es ist ein Trugschluss zu denken, dass viel Geld viel Qualität bringt. Natürlich geht's nicht ohne Geld, und ich habe auch noch keinen Produzenten gefunden, der uns gute Formate schenkt. Fiktionale Unterhaltung ist viel teurer in der Herstellung als Real-Life-Formate. Sport gehört immer noch zum Teuersten, weil die Rechte sehr viel kosten. Geht damit aber automatisch eine höhere Programmqualität einher?

SZ: Sport - also Fußball-WM, Formel 1, Biathlon - ist eine Quoten-sichere Investition, fiktionale Programmplätze bei RTL sind dagegen überschaubar geworden. Fiktional ist schwer, gehört aber zur Alltagskultur.

Schäferkordt: Ja, es war in den letzten Jahren nicht einfach, die Zuschauer mit fiktionalen Programmen zu erreichen. Wir hatten manchen Flop und in diesem Sommer endlich wieder deutsche Serien erfolgreich im Programm: Doctor's Diary in der zweiten Staffel oder Lasko in der ersten. Gerade lief der aufwendig produzierte Zweiteiler Der Vulkan mit ordentlichem Erfolg. Die Dreharbeiten zur Hindenburg sind gestartet. Nach wie vor wollen wir die Themen bringen, die von unseren Zuschauern nachgefragt werden. Aber in Fiktion zu investieren bedeutet nicht, dass grundsätzlich eine höhere Qualität entsteht als in anderen TV-Genres.

SZ: Könnte RTL 2010 wieder 100 Millionen einsparen?

Schäferkordt: Wir könnten das vielleicht tun, ich glaube aber nicht, dass wir damit mehr Zuschauermarktanteile generieren. Wir werden jedoch nicht an den Stellen sparen, bei denen wir der Ansicht sind, dass es uns nachhaltig - was die Marke und Positionierung von RTL angeht - schadet. Wir versuchen, hier sehr genau die Grenze zu ziehen. Wir sparen, aber wir investieren auch gezielt, gerade in der Entwicklung. Das gilt fürs Programm ebenso wie für neue Geschäfte. Auch das ist Unternehmertum.

Lesen Sie auf Seite 2, was das Internet in Zukunft für eine Rolle spielen wird.

SZ: Wenn die Konjunktur auf dem Werbemarkt 2010 anzieht, wird dann mehr Geld ins Programm investiert?

Schäferkordt: Wir erfüllen die Zuschauerwünsche im Moment sehr gut mit den vorhandenen Budgets. Sollte das so bleiben, gibt es keinen Grund, automatisch mehr dafür auszugeben. Thema Zukunft bedeutet: Thema Internet. Machen Sie mit Ihren Online-Angeboten gute Erfahrungen?

Schäferkordt: Das Internet ist für uns ein weiterer Weg, unsere Inhalte zum Zuschauer zu bringen: zu jeder Zeit und an jeden Ort. Allerdings tue ich mich schwer mit der Aussage, das Internet überhole derzeit mal wieder das Fernsehen. Wir müssen bei der Internetnutzung unterscheiden, ob jemand E-Mails schreibt oder tatsächlich Medien-Inhalte nutzt. Wir warten leider noch immer auf die Messung, die die echte Mediennutzung über alle Plattformen hinweg erfasst und ausweist. Bewegtbildinhalte in guter Qualität sind heute ein Treiber des Wachstums im Internet. Wenn man die Hitlisten der Videoplattformen durchgeht, sieht man, dass es oftmals Fernsehinhalte sind, die geschaut werden.

SZ: Wie viel setzen die Spartenkanäle der Mediengruppe RTL Deutschland um und wie viel die Online-Portale?

Schäferkordt: Pay-TV ist für uns ein junges Geschäftsmodell, das wir seit 2006 mit den Kanälen RTL Living, Passion und RTL Crime betreiben. Wir schreiben schwarze Zahlen. Außerdem sind wir bei RTL now und Vox now mit ständig steigender Nutzung im Bereich Video on demand gut unterwegs. RTL now hatte im September mit über zwölf Millionen Abrufen einen neuen Bestwert. Das Interesse der Werbewirtschaft steigt, weil sie Bewegtbildwerbung in einem Qualitätsumfeld bekommen kann.

SZ: Hulu.com, das Online-Streaming-Angebot, das von den amerikanischen Privatsendern getragen wird, ist unheimlich erfolgreich. Erzfeinde vereinigten sich, um gemeinsam im Internet stark aufzutreten. Ist so ein Projekt auch in Deutschland denkbar?

Schäferkordt: In Deutschland war die Entwicklung eine andere, jeder hat seine eigene Videoplattform entwickelt. Für uns zählt die eigene Programmmarke und auch die Sendermarke, die über dem Ganzen steht. Wo RTL draufsteht, soll RTL drin sein. Auch unsere Werbung wollen wir selbst vermarkten. Uns geht es nicht nur darum, Inhalte möglichst weit zu verbreiten, wir müssen auch die Kontrolle behalten: ob beim Signalschutz oder der Vermarktung.

SZ: Das ZDF hat seinen digitalen Jugendkanal Neo mit einer Zielgruppenvorgabe 25 bis 49 gestartet. Ist das eine Konkurrenz für RTL?

Schäferkordt: Ich habe ja schon gehört, dass wir in Deutschland demografische Probleme haben und die Bevölkerung immer älter wird. Aber dass mit den 25 bis 49-Jährigen jetzt die Mitte der Gesellschaft schon eine Randzielgruppe ist und damit ein Nischenfernsehen rechtfertigt, ist mir neu. Und wenn Neo laut Eigenbeschreibung "mutiges" und "intelligentes" Programm machen will, was sendet dann eigentlich noch das ZDF? Es ist der Lackmustest der Öffentlich-Rechtlichen: Was können sie politisch durchsetzen, mit welchen Versprechen können sie diesen Kanal, der als Dokumentationskanal gestartet wurde, in ZDF Neo umwandeln, und inwieweit bekommen sie die Freiheit, zu senden, was ihnen gefällt. Selbst wenn es aussieht, wie das Programm von Privaten, nur ohne Nachrichten - ich frage mich: Wie groß muss das Öffentlich-Rechtliche in Deutschland noch werden, während Private selbst in Krisen wie diesen überreguliert bleiben? Wann wird die Politik beginnen, die Vielfalt zu schützen, um die uns andere beneiden?

SZ: Die Politik mischt sich gerade in die Personalpolitik beim ZDF ein.

Schäferkordt: Sie sollte sich besser endlich um faire Rahmenbedingungen im dualen System Gedanken machen. Braucht es wirklich 23 Kanäle, um einem öffentlich-rechtlichen Auftrag gerecht zu werden?

SZ: Also ist Neo eine Konkurrenz?

Schäferkordt: Na ja, wir finden dort amerikanische Serien in Erstausstrahlung oder Coaching- und Reallife-Formate. Die könnten genauso gut bei einem Privatsender laufen. Aber es geht nicht allein um einzelne Sendungen, sondern darum, dass dem ZDF etwas anderes genehmigt wurde als das angekündigte Programm von Neo.

SZ: Was ist Ihre Lieblingssendung?

Schäferkordt: Ich bin Fan von Doctor's Diary, schaue regelmäßig House oder aktuell Das Supertalent.

SZ: House und CSI werden nicht ewig laufen, Monk endet gerade in den USA: Was haben Sie denn für die Zeit danach eingekauft?

Schäferkordt: Für RTL schauen wir, was Monk langfristig ersetzen kann. Die Serien, die wir zuletzt gekauft haben, zeigen wir schon bei Vox oder werden sie dort zum Einsatz bringen, zum Beispiel Burn Notice oder Lie to me.

SZ: Haben Sie eigentlich etwas gelernt aus Erwachsen auf Probe?

Schäferkordt: Wir haben vor allem bei der Programm-Ankündigung des Formats Fehler gemacht. Aber ich hoffe, dass auch unsere Kritiker etwas gelernt haben, nämlich, dass es Sinn machen kann, sich etwas anzuschauen, bevor man es kritisiert.

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