Retrokolumne - die interessantesten Pop-Reissues:Höre, staune, gute Laune!

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(Foto: N/A)

Diesmal mit westdeutscher Kassettenmusik aus den Achtzigern und dem experimentellen Elektronik-Underground der DDR.

Von Karl Bruckmaier

Das waren noch Zeiten: "Höre, staune, gute Laune". Ein Post-Punk-Slogan aus deutschen Landen. Dabei war "No Future" doch gerade die amtliche Pop-Ansage um 1980 und der Atomschlag mitten hinein in die von RAF-Terror und Polizei-Machismo aufgewühlte Bundesrepublik ausgemachte Sache. Dieselmotoren qualmten seinerzeit wirklich so, wie sie heute zur Illustration ihrer Gefährlichkeit gern abgebildet werden, und schwul sein hieß sicher nicht, gleich jedem Standesbeamten davon zu erzählen. Höre, staune, gute Laune? Und doch mutet dieser Satz heute, da sich atomare Bedrohung, reale Umweltverschmutzung und die alltägliche Lebenswirklichkeit doch irgendwie, hurra, gebessert haben, wie ein fernes Glücksversprechen an: Wo nahm man bloß den Optimismus her in solch finsteren Zeiten? Ich meine, grad eben saßen die Grünen mit der CSU fünf Wochen am Findungstisch, um gemeinsam eine Regierung zu bilden - dabei werden sich ein paar Gründungsmitglieder sicher noch an die blauen Flecken und gebrochenen Nasen erinnern, die man sich am Bauzaun zu Wackersdorf geholt hat. Und was jammern wir über Trump, die wir Ronald Reagan ausgesessen haben? Hat nicht eben Britanniens akademische Jugend die Brexit-Abstimmung verpasst, weil man allzu eifrig damit beschäftigt war für gendergerechte Toiletten zu demonstrieren, anstatt mal wieder auf den Tisch zu scheißen? Höre, staune, gute Laune! Klar, wir sind ein Volk von Bedenkenträgern - und das wird auch kein noch so schöner Neue-Deutsche-Welle-Slogan mehr ändern. Außerdem haben Formensprache und Inhalte derselben längst die Museen der Gegenwart geentert, schließlich hat sich "No Future!" ja doch als Karriere-Option in den Medien oder im Kunstbetrieb erwiesen, und stolz kuratiert man Ausstellungen, die die eigene Vergangenheit glorifizieren, stolz berichtet man über die Ankunft von Platten-Covern und Schwarz-Weiß-Fotos in den Hallen der Hochkultur. Die Archivarbeit - unabdingbare Vorleistung solcher fleißigen Shows zwischen Haus der Kunst und Hamburger Bahnhof - begann bereits in den Neunzigerjahren, als erste CD-Kompilationen zu Stilrichtungen oder zu Städten erschienen, und der Strom der Veröffentlichungen reißt nicht ab, bis das Gesamtwerk des letzten Kassetten-Täters im letzten Indie-Laden der Stadt verstaubt. Aber ich klinge hier ja auch schon fast wie ein Dieselmotor anno 1979: Hören, Staunen und gute Laune waren doch versprochen. Also: Einige Veröffentlichungen aus dem NDW-Strom bieten dann doch immer wieder ein paar Fieps-Laute, die ein Lächeln möglich machen: Etwas älter ist " Electri_City 2", eine Compilation auf Herbert Grönemeyers verdienstvollem Grönland-Label, die wie der Gruppenname La Düsseldorf schon andeutet, die einstige Hauptstadt deutscher Pop-Emanzipation feiert: NEU! stehen hier für Krautrock, Rheingold für Elektronik und Der Plan für skurrilen Dilettanten-Pop - alles abgesichert, alles museumswürdig, aber Musik und Stadt sind hier auf verquere Weise eben auch eins, sind: flott, um dieses schöne Fünfzigerjahre-Adjektiv mal wieder zu verwenden, das mir am besten zu Düsseldorf zu passen scheint.

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