Regisseur:Licht an

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Christian Schwochow, der einen Tatort über die Crystal-Meth-Szene gedreht hat, erklärt, warum der Stoff die zeitgemäße Droge ist.

Interview von Bernd Graff

Christian Schwochow, Jahrgang 1978, ist Regisseur für Film, Fernsehen und Theater. Der Mauerfall-Film "Bornholmer Straße" ist von ihm und auch die "Tatort"-Folge "Borowski und der Himmel über Kiel" von 2015, in der es um einen Fall in der Crystal-Meth-Drogenszene geht. Schwochow hatte vor den Dreharbeiten im tschechisch-deutschen Grenzgebiet intensiv dazu recherchiert.

SZ: Wie muss man sich den typischen Crystal-Meth-Junkie vorstellen?

Christian Schwochow: Den gibt es nicht. Crystal Meth (CM) kommt in allen Gesellschaftsschichten vor. Das Reizvolle daran ist - vor allem in der Anfangszeit - das Gefühl von Leistungssteigerung. Da geht ein Licht an, man fühlt sich wach, reaktionsschnell. Wie bei Kokain, nur stärker, die Wirkung hält zuerst auch länger an. Wir haben festgestellt: Leute, die stark gefordert sind und viel zu leisten haben, fühlen sich zu Crystal hingezogen. Denn man ist damit bereit, sehr lange, auch monotone Tätigkeiten zu verrichten. Sie ist also nicht nur gut für exzessive Partys. Die Droge spielt tatsächlich auch in der Arbeitswelt eine wichtige Rolle. Die alleinerziehende Mutter, die tagsüber am Fließband steht, dann abends noch ihre Kinder versorgen muss, kann dafür anfällig sein; Banker, Manager, Politiker auch.

Warum waren Sie für Ihre Recherche im Zwickauer Dreiländereck?

In Tschechien gibt es sehr viele CM-Küchen, die Droge kommt von dort schnell über die Grenze. In der Region Bayreuth, Hof, Zwickau kommt man leicht an CM. Es hat hier alle anderen Drogen verdrängt. Es ist eine relativ billige Droge, man kann sie auf Schulhöfen bekommen. Das High ist anfangs hoch, aber das Tal wird danach immer tiefer. Das ist bei Crystal dann ganz massiv.

Was hat Sie ästhetisch daran gereizt, sich mit Crystal zu beschäftigen?

Die Droge passt sehr gut in unsere Gesellschaft. Darum rede ich ja auch immer gegen die Wrackbilder aus den USA: Am Anfang macht die Droge nicht zum Zombie, sie kann attraktiv machen, schon rein äußerlich. Man wird ja erst einmal schlanker. Und vital und leistungsfähig zu sein wird von uns ja honoriert. So sammelt man in der Gesellschaft Punkte. Ein Geschäftsmann oder ein Politiker, der Optimismus ausstrahlt, hat es eben leichter. Dass dabei auch harte Helfer im Spiel sein können, halte ich für sehr wahrscheinlich. Mich beschäftigt die Frage: Was ist das für eine Gesellschaft, die so harte Anforderungen stellt, dass manche Menschen diesen Anforderungen ohne Droge nicht gewachsen sind?

© SZ vom 04.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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