Raubkunst-Kommission:Als das Leben noch bunt war

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Handelt es sich bei diesem Gemälde um NS-Raubkunst? „Das Bunte Leben“von Wassily Kandinsky. (Foto: Städtische Galerie im Lenbachhaus, München/Fine Art Images)

Die NS-Raubkunst-Kommission muss entscheiden, ob Wassily Kandinskys Hauptwerk in München restituiert werden soll.

Von Kia Vahland

Ob das Gemälde "Das Bunte Leben", ein frühes Schlüsselwerk Wassily Kandinskys, NS-Raubkunst ist, muss jetzt die sogenannte Limbach-Kommission entscheiden, das Gremium, das in Deutschland Empfehlungen zu strittigen Museumsstücken abgibt. Erbenvertreter haben bei der Kommission einen Antrag eingereicht, weil das Gemälde, das ursprünglich zu der Amsterdamer Sammlung Lewenstein gehörte, 1940 in den besetzten Niederlanden bei einer NS-Aktion versteigert worden ist.

1972 kaufte es die Bayerischen Landesbank auf Anraten des Münchner Lenbachhauses, wo es seither als prominente Leihgabe hängt. SZ-Recherchen hatten ergeben, dass den Kauf maßgeblich die Kuratorin Erika Hanfstaengl betrieben hat, die während der NS-Zeit in Italien am Kunstraub der Nazis aktiv beteiligt war. Für die Vorgeschichte des Bildes interessierte sie sich nicht, auch später ist diese im Lenbachhaus nicht aufgefallen.

Die Bayerische Landesbank erklärt sich einverstanden mit einem offenen Verfahren vor der Limbach-Kommission. Anfänglich hatte sie noch gefordert, das Bild müsse in dem Museum bleiben, egal wie ein Verfahren ausgehe.

Die Kommission kann auch einen Kompromiss finden, der einen erneuten Ankauf ermöglicht

Noch 2017 aber, als die Vorwürfe öffentlich wurden, lenkte sie ein und stimmte einer bedingungslosen Klärung durch die unabhängige Kommission zu. Dass es trotzdem solange dauerte, bis die Erben sich jetzt für den Antrag entschieden, liegt an einem ähnlich gelagerten Fall in den Niederlanden.

Auf der Auktion im besetzten Holland war ein weiteres, kleineres Kandinsky-Gemälde aus dem Besitz der Familie Lewenstein versteigert worden. Während das Bild, das nach München kam, privat angekauft wurde, erstand das andere Bild der Direktor des Amsterdamer Stedelijk Museums, das immer noch über das Bild verfügt. Deswegen hatte kürzlich die niederländische Raubkunst-Kommission über eine mögliche Herausgabe dieses Werks an die Lewenstein-Erben zu befinden.

Sie entschied sich dagegen, machte sich aber angreifbar, als sie argumentierte, die Erben hätten keine gewachsene emotionale Verbindung zu dem Museum - was angesichts von Flucht und Vertreibung nicht nur in deren Ohren höhnisch klang.

Die Erben, vertreten durch die kanadische Recherche-Agentur Mondex, hoffen nun auf eine anders lautende Entscheidung in Deutschland. Sie bestreiten, dass die Lewensteins eines der beiden Bilder freiwillig herausgegeben haben könnten. Der Münchner Fall ist etwas anders gelagert als der Amsterdamer, weil das hiesige Bild bereits vor der Auktion im Stedelijk Museum zwischengelagert und dann kurzzeitig in Besitz eines dubiosen, den Nazis nahestehenden Zwischenhändlers gelangt war.

Wer es bei der Auktion eingereicht hat, ist unbekannt. Denkbar ist eine Verabredung des Museumsdirektors mit dem Käufer des "Bunten Lebens", einander nicht zu überbieten - das könnte die auch für damalige Verhältnisse absurd niedrigen Preise erklären.

Die Limbach-Kommission kann sich für oder gegen eine Restitution des Werks entscheiden, sie kann aber auch nach einem Kompromiss suchen, der einen erneuten Ankauf des Gemäldes ermöglicht. Dann müssten die Bank, die Stadt München und die Öffentlichkeit viel, sehr viel Geld aufbringen - würden aber belohnt mit einem Schlüsselwerk der Moderne. Das nämlich ist Wassily Kandinskys "Das Bunte Leben" - ein Werk, in dem sich Tradition und Aufbruch, Figürlichkeit und Abstraktion, Mythos, Beobachtung und Vision auf das Wunderbarste vereinen.

© SZ vom 16.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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