Ratgeber:Digitale Nomaden

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Die gute alte Diashow war schon langweilig. Vollends ermüdend ist der Bilderschwall, der uns via Whatsapp, Instagram und Blogs erreicht. Matthias Debureaux erklärt, wie wir andere in Zeiten von Social Media nicht mit Reise-Eindrücken anöden.

Von Hans Gasser

Der gute alte Diavortrag - er muss immer herhalten, wenn geschildert werden soll, wie langweilig man über eine Reise berichten kann. Zur Ehrenrettung von Vater und Onkel, die mit nie wirklich funktionierender Überblendungstechnik ihre Bilder aus Norwegen oder Sizilien auf eine riesige Leinwand im Wohnzimmer warfen, muss man sagen: Immerhin haben sie sich vorher Gedanken gemacht, haben Bilder ausgewählt und andere verworfen: Im besten Fall haben sie sogar so etwas wie ein Drehbuch geschrieben und eine Geschichte erzählt.

Ein Blog ist wie ein Diaabend, er dauert nur sechs Monate länger

Wer heute auf Reisen geht, braucht nicht warten, bis er zurück ist und die Fotos entwickelt sind. Er überschwemmt bereits während seiner Reise uns Daheimgebliebene mit einem täglichen Bilderschwall, die uns via Whatsapp, Instagram oder eigenem Blog erreichen. Meistens unsortiert und meistens deutlich langweiliger als die alten Dias. "Ein Blog ist wie ein Diaabend, bloß sechs Monate länger", schreibt Matthias Debureaux in seinem satirischen Buch über "Die Kunst, andere mit seinen Reiseberichten zu langweilen". Das Büchlein ist als Ratgeber angelegt, wie man von seinen Reisen erzählen solle - und natürlich meint jeder Rat eigentlich das Gegenteil.

"Bekennen Sie sich zu Ihrer Lust auf das andere: ,Ich bereise keine Landschaften, ich bereise Menschen'." Man solle pro Land nur einen besonderen Moment schildern: "die aufwühlende Begegnung mit einem blinden Hirten im Atlasgebirge; die ungestüme Leidenschaft, die Sie mit einer karpatischen Bäuerin ausgelebt haben." Und: "Beklagen Sie den Einbruch von Technologie in abgeschiedene Gegenden am Beispiel handybewaffneter Massai (...) Tragen Sie Ihre Empörung offen zur Schau, wenn ein Afrikaner sein neues Haus lieber aus Beton bauen will, dem Traditionskiller."

Es ist ein Allegro furioso aller, aber auch wirklich aller Gemeinplätze der Reiseliteratur, mal mehr, mal weniger lustig. Debureaux, selbst viel gereist und im Hauptberuf stellvertretender Chefredakteur eines französischen Lifestyle-Magazins, legt den Finger aber immer wieder gekonnt in die Wunde der Reflexe von uns Vielgereisten. Keiner will ja Tourist und jeder möchte möglichst der Erste sein. "Loben Sie den exklusiven Aspekt. Seien Sie stolz darauf, dass Sie als einziger Westler in einem Bus voller Inder mitgefahren sind." Oder: "Seien Sie noch berberischer als die Berber und beschreiben Sie jenes kleine marokkanische Dorf, das seine Traditionen hochhält und Ihnen zum Heimathafen wurde."

Ja, man fühlt sich immer wieder ertappt, weil man selbst ja auch das Ursprüngliche gesucht - und nicht gefunden hat: "Vergessen Sie zu erwähnen, dass es auf der Osterinsel Fahrkartenautomaten gibt. Oder zu ergänzen, dass fast alle Bewohner von Robinsons Insel - dem Juan-Fernandez-Archipel - über Fernseher und Breitbandanschluss verfügen." Solche Vergleiche zwischen realer und erzählter Welt kommen etwas kurz im Buch.

Irgendwann wird Debureaux' Suada etwas ermüdend und redundant. Aber wer nur ein paar seiner Ratschläge nicht ernst nimmt, wird nächstes Mal seinen Lieben, pardon, seinen Facebookfreunden, einen Reisebericht abliefern, der viele Befürchtungen widerlegt.

© SZ vom 21.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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