Prozess gegen Serebrennikow:Moskauer Zickzack

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Der russische Regisseur Kirill Serebrennikow sitzt nicht mehr im Hausarrest, aber gegen ihn hat ein neuer Prozess begonnen. Mit neuer Richterin, ohne neue Ermittlungen. Arbeiten kann er auch kaum noch, hat aber trotzdem Pläne.

Von Silke Bigalke

Alles wieder auf Anfang im Prozess um Kirill Serebrennikow. Neu ist nur die Richterin, und neu ist auch, dass sie den russischen Regisseur und seine Mitangeklagten nun täglich vor Gericht sehen will. Serebrennikow ist zwar im April aus dem Hausarrest entlassen worden. Das Verfahren gegen ihn, das sich bereits seit Sommer 2017 hinzieht, beschäftigt ihn jedoch weiterhin. Diesmal Vollzeit.

Dabei sah es im September noch beinahe so aus, als würde der Fall still fallengelassen. Damals entschied eine andere Richterin des Moskauer Meschtschanski-Gerichts, dass es im Verfahren zu viele Widersprüche gebe. So könne sie kein Urteil fällen, beschied sie, und gab alles zurück an den Staatsanwalt. Der legte Berufung ein. Im Oktober kehrte das Moskauer Stadt-Gericht die Entscheidung der niedrigeren Instanz um. Das Meschtschanski-Gericht muss doch entscheiden. Ohne Nachermittlungen und trotz aller Widersprüche.

Diese Widersprüche lassen sich vorrechnen: Serebrennikow und vier weiteren Beschuldigten wird vorgeworfen, bis zu 1,9 Millionen Euro Fördermittel veruntreut zu haben. Das Geld erhielten sie vom Kulturministerium für ihr Theaterprojekt "Plattform". Vor Gericht mussten die Angeklagten zum Beispiel beweisen, dass gut besuchte und rezensierte Theateraufführungen wirklich stattgefunden hatten. Zuletzt beauftragte die Richterin eine Expertengruppe, die nachrechnen sollte. Das Ergebnis: Serebrennikow und die anderen haben für das Plattform-Projekt sogar mehr Geld ausgegeben, als sie erhalten hatten. Wie sie da noch Millionen für sich selbst abzweigen konnten, hat der Staatsanwalt nicht überzeugend belegen können.

"Eigentlich wurde das Projekt übererfüllt", sagte Sofia Apfelbaum, die für das Kulturministerium arbeitete und mit auf der Anklagebank sitzt, auch im neuen Verfahren. Sie und die anderen bleiben dabei, dass sie nicht schuldig sind. Am Dienstag forderten die Verteidiger, den Staatsanwalt auszutauschen. Richterin Olessja Mendelejewa, deren neues Verfahren Anfang November begann, lehnte das ab. Sie sprach zuvor Urteile gegen Menschenrechtler und Demonstranten in Moskau. In Russland liegt die Freispruchquote offiziell bei einem Prozent, vermutlich noch niedriger.

Wann das Urteil im Fall um Serebrennikow fällt, ist offen. Die täglichen Verhandlungen jedenfalls lassen ihm wenig Zeit zu arbeiten. Serebrennikows neuestes Projekt ist die Verfilmung eines Romans von Alexej Salnikow: "Petrowy in der Grippe und um sie herum" hat den Preis "Nationaler Bestseller" in Russland gewonnen. Der Film soll bereits 2020 erscheinen.

© SZ vom 13.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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