Produzent Stefan Arndt:"Die lassen uns gegen die Wand fahren"

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X-Filme-Gründer Stefan Arndt über seinen Rückzug aus der Geschäftsführung, dreiste Banker und die Frage, welche deutschen Filme die Welt braucht.

Ch. Keil

SZ: Herr Arndt, wie oft haben Sie zuletzt Bernd Eichinger beneidet?

"Das weiße Band " ist einer der Filme, die Stefan Arndt produziert hat. (Foto: Foto: X-Verleih)

Stefan Arndt: Ich finde es klasse, was Bernd Eichinger jetzt macht. Man merkt, dass sich da einer nur noch aufs Filmemachen fokussiert.

SZ: Eichinger hat vor ein paar Jahren entschieden, aus der Geschäftsführung der von ihm aufgebauten Constantin Film auszusteigen und nur zu produzieren. Sie werden ihm Anfang 2010 auf diesem Weg folgen. Warum?

Arndt: Das war eine firmeninterne, inhaltliche Entscheidung, die vor zwölf Monaten gefallen ist. Wir haben uns gefragt: Was für Filme brauchen wir als Unternehmen, welche Filme braucht Deutschland als Land und welche Filme können wir in der Welt verkaufen?

SZ: Welche Filme braucht die Welt?

Arndt: Auf jeden Fall Unikate. Wir wollen die Strategie, uns breiter aufzustellen, wieder zurückfahren, gerade nach den Erfahrungen, die wir mit dem Weißen Band gemacht haben.

SZ: Das heißt, der Autorenfilm steht wieder im Vordergrund?

Arndt: Einzelstücke stehen im Vordergrund. Als Produzent hast du mit Autorenfilmen auch nur begrenzt Vergnügen, weil du wesentlich mehr kämpfen musst und wesentlich weniger geachtet wirst als bei klassischen Bernd-Eichinger-Produzentenfilmen. Deshalb ist tatsächlich etwas Neid bei mir zu spüren.

SZ: Weniger breit aufgestellt produzieren heißt dann, wieder intensiver mit Projekten der Gesellschafter - außer Ihnen sind das noch die Regisseure Tom Tykwer, Dani Levy und Wolfgang Becker - zu arbeiten?

Arndt: Ja, und auch mit anderen. Wir wollen nachhaltige Stücke fürs Kino herstellen, die wir entsprechend komplett verwerten können. Filme sind mit Immobilien vergleichbar: Nur der werthaltige Film ist für uns perspektivisch wichtig. Alles andere ist heutzutage eigentlich digitaler Müll.

SZ: Seit wann wollen Sie nicht mehr Geschäftsführer sein?

Arndt: "Das weiße Band" war mein Schlüsselerlebnis. Ich habe gemerkt, dass man als Produzent wirklich etwas verändern kann. Obwohl es ja nicht so ist, dass der Produzent in Deutschland sehr geachtet oder unterstützt wird. Wenn ich nur an die Kämpfe mit dem Finanzamt denke, die einem das Leben zur Hölle und aus Produzenten Zahlenverwalter machen. Filme brauchen mehr denn je einen starken Produzenten, und ich bin das. Ich will produzieren, und ich will auch Produzentenfilme machen.

SZ: Warum war Haneke so entscheidend? Sie haben doch in all der Zeit regelmäßig produziert.

Arndt: Ich war aber nebenher noch für 45 Mitarbeiter verantwortlich, die monatlich ihr Brot brauchen. Dann gibt es die Banken, die bedient werden müssen, die vielen Freien, das war am Ende zu viel.

SZ: 2011 werden Sie 50, der Eintritt in die zweite Lebenshälfte spielte überhaupt keine Rolle? Viele wollen mit 50 etwas verändern.

Arndt: Man denkt darüber nach, doch wenn man 15, 20 Filme gemacht hat, dann weiß man, dass nur die Filme etwas wert sind, für die man sich über die Maßen eingesetzt hat. Für so einen Einsatz braucht man ungeteilte Konzentration.

SZ: Wann wird der Wechsel in der Geschäftsführung von X-Filme vollzogen?

Arndt: Am Ende des Jahres.

SZ: Und Ihr Nachfolger?

Arndt: Das ist Uwe Schott, er wird im Januar als Vorsitzender der Geschäftsführung anfangen.

SZ: Ist Schott auch Kandidat der anderen Gesellschafter gewesen?

Arndt: Wir haben alle einzeln und gemeinsam gesucht und als wir glaubten, dass es diese eierlegende Wollmilchsau, die alles kann, nicht gibt, fragte ich Schott, meinen Koproduzenten bei "Lulu&Jimi", was er im Leben noch so vor hat. Wie und was er antwortete, entsprach unserem Wunschprofil.

Lesen Sie auf Seite 2, warum es eine Diskussion darüber gibt, ob "Das weiße Band" ein deutscher Film ist.

SZ: Der Arthouse-Markt liegt am Boden, in den USA wird kaum noch in ihn investiert, ursprünglich wurde X-Filme gegründet, um als Arthouse-Marke eine Alternative zum damaligen Komödienwahn anzubieten. Ihr neues, altes Geschäftsmodell ist nicht ohne Risiko.

Arndt: Deswegen Unikate, deswegen Kino, man braucht den Weltvertrieb, um etwas zu verdienen oder keinen Verlust zu machen.

SZ: Wenn Uwe Schott Vorsitzender der Geschäftsführung bei X-Filme wird, was macht Manuela Stehr, die mit Ihnen bisher für X-Filme verantwortlich war?

Arndt: Sie wird X-Verleih leiten und wie ich produzieren.

SZ: Wie trifft X-Filme die Wirtschafts- und Medienkrise?

Arndt: Alle behaupten, es gibt kein Geld mehr. Ich verstehe das nicht. Die Rundfunkgebühren fließen weiter, die Fördermittel sind noch genauso hoch, die Kinobesucherzahlen steigen. Die Krise jetzt wird von allen Leuten benutzt, um die kleineren Filme an den Rand zu drängen. Für mich ist es gerade schwieriger, einen 1,8 Millionen-Film mit einem superberühmten Hauptdarsteller zu finanzieren als "Das weiße Band" mit einem Budget von zwölf Millionen.

SZ: Weil die Fernsehsender als Co-Produzenten weniger zahlen, steigt die Fördermittelquote der Budgets. Wie verhalten sich die Banken bei den Zwischenfinanzierungen?

Arndt: Sie verhalten sich. Nach 15 Jahren kontinuierlicher Zusammenarbeit trauen die sich zu uns ins Büro, wir fangen an zu diskutieren, uns ist klar, der Vertrag wird nicht so werden wie früher, es sind ja objektiv Krisenzeiten, aber die lassen uns komplett gegen die Wand fahren.

SZ: Wie?

Arndt: Die wollten nicht mehr mit uns oder wollten überhaupt nicht mehr im Filmgeschäft. Also haben sie sich die einzige Sache ausgedacht, die wir nie akzeptieren können: die persönliche Haftung. Es gibt keinen Grund, das zu verlangen. Wir haben nicht nach einem Kredit für unsere Gehälter gefragt, bei uns ging es nur um die Zwischenfinanzierung von WDR- oder FFA-Verträgen. Und der WDR oder die FFA gehen gerade nicht pleite. Dieselben Leute kamen in der wirtschaftlichen Hochzeit und wollten uns in die Börse treiben.

SZ: Sie blieben eine GmbH, die anderen wurden reich.

Arndt: Wir waren verzweifelt. Früher waren wir auf Augenhöhe, plötzlich hatten unsere Konkurrenten, die an die Börse gingen, einen Unternehmenswert von mehreren hundert Millionen Euro, flogen nur noch im Privatjet und konnten alles kaufen. Deshalb kam es zur 50-Prozent-Beteiligung von Senator-Film, die wir 2007 zurückgekauft haben. Heute sind wir froh, dass wir nicht an der Börse waren.

SZ: Wie sehr trifft es auch Sie als Kinoproduzent, dass die kommerziellen TV-Veranstalter vor allem auf amerikanische Filme und Serien setzen?

Arndt: Wenn die Sky-Manager glauben, dass der klassische Sky-Abonnent keine deutschen Filme sehen möchte, trifft uns das frontal. Ich frage mich, auch unter medienpolitischen Gesichtspunkten: Wofür brauchen wir die, wenn die Rundfunkstaatsverträge nicht durchgesetzt werden?

SZ: In Rundfunkstaatsverträgen wird Kultur groß, aber in den - auch öffentlich-rechtlichen - Programmen wird Kultur klein geschrieben. Der Film, der zur Kultur zählt, wird damit klein gehalten?

Arndt: Zum Beispiel. Warum muss die Deutsche Welle chinesisch untertitelt werden? Warum wird irgendwelches Internet TV unterstützt, das kein Schwein interessiert? Warum versuchen ARD und ZDF, sich RTL aktuell anzunähern? Gleichzeitig führten die Deutschen, die dieses Jahr beim Filmfestival in Cannes waren, eine Diskussion, ob Das weiße Band ein deutscher Film ist (weil der Regisseur aus Österreich stammt). Total absurd. Da stehst du dann und schaust, wie toll Österreich seine Filme vertritt, und die deutsche Kulturnation lässt sich auf eine völlig unnötige Diskussion ein.

SZ: Sich als Produzent neu ausrichten und wirklich etwas bewegen, andererseits das große Klagelied anstimmen - diese Botschaften widersprechen sich etwas, finden Sie nicht? Nochmal im Klartext: Gehen Sie nun optimistisch oder pessimistisch in die Zukunft?

Arndt: Wenn ich nicht bedingungsloser Optimist wäre und schlechte Erfahrungen nicht sofort vergessen würde, könnte ich diesen Job keine drei Tage ertragen. Ich hasse Leute, die jammern, habe mir allerdings angewöhnt, Missstände kompromisslos anzusprechen. Das macht das Herz ein wenig leichter.

SZ: Und wie sieht es mit dem Optimismus in Sachen Oscar-Verleihung aus? Da könnten Sie mit dem "Weißen Band" für Deutschland nominiert werden - und sogar gewinnen!

Arndt: Optimismus ist bei mir im Überfluss vorhanden und nachdem wir jetzt drei Europäische Filmpreise und am Dienstag dieser Woche die Nominierung für die Golden Globes erreicht haben, hoffe ich schon sehr auf die Nominierung für die Oscars. Der wirklich Beste soll gewinnen, und ich hätte wirklich nichts dagegen, wenn es "Das weiße Band" wäre. Haneke hätte es echt verdient. Aber für uns wäre es schon toll, nominiert zu sein und einmal die Show zu sehen.

SZ: Listige Banker, sorglose Sender, dazu die Krise: Nicht mehr für eine Filmfirma verantwortlich zu sein hat auch Vorteile.

Arndt: Aber deswegen gebe ich die Verantwortung nicht ab. Wir stehen mit den neuen Tykwer- und Levy-Filmen (Drei, Das Leben ist zu lang) gut da, wir werden vielleicht nicht viel, aber wir werden damit verdienen. Wir brauchen keine zehn Millionen Besucher, sondern Filme, die ihr Gewicht behalten, ihre Bedeutung.

SZ: Was sagen eigentlich Ihre Freunde Tykwer, Levy und Becker dazu, dass Sie Einfluss und Macht abgeben und sich verändern? Gemeinsam haben Sie vor 16 Jahren als "Creative Pool" begonnen und wurden als X-Filmer Vorbild und Legende im deutschen Kino.

Arndt: Das sind Regisseure, die freuen sich, wenn sich einer, dem sie vertrauen, ausschließlich für die Produktion ihrer Filme einsetzen kann.

© SZ vom 19.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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