Popmusik:Neon-Gothic-Indie-Horror-Schlumpf

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Billie Eilish ist Superstar des Jahres 2019 und eine Stilikone. Tiefsinnigen Deutungen ihrer Songs lauscht sie amüsiert.

Von Jan Kedves

Am 18. Dezember ist sie 18, und als sogenannte Minderjährige hat sie 2019 im Pop erreicht, was man erreichen kann. Billie Eilish, geboren 2001 in Los Angeles, schoss mit ihrem Debütalbum "When We All Fall Asleep, Where Do We Go?" in den USA und in Großbritannien auf Platz eins, ihr Song "Bad Guy" stand an der Spitze der Billboard-Singles-Charts. Pop wird immer erwachsener und bedeutet Teenagern heute fast nichts mehr, jedenfalls viel weniger als Instagram, Schmink-Tutorials und Tik- Tok-Videos? Wer das dachte, der rieb sich die Augen und vor allem: die Ohren.

Die 17-jährige Sängerin Billie Eilish ist der Superstar der Stunde. Monster Mainstream-Pop wird bei ihr zur liebenswerten Bestie. (Foto: Kenneth Cappello/Universal Music)

Eilish spielt eine Mischung aus Hip-Hop- Grooves, Folkmusik, Jazz-Akkorden und Dance-Beats. "So etwas habe ich noch nie gehört!", sagen die Erwachsenen. Und bekommen dann Angst - um ihre Kinder. Wirkt Eilish nicht sehr gothic, und singt sie nicht in ihrem Hit "Bury A Friend" die Zeile "I wanna end me"? Macht sie Teenager suizidal? Diese Frage wurde in diesem Jahr heiß diskutiert. Dabei war es im Pop schon häufiger so, dass Teenager gerade aus lebensmüde wirkender Musik ihren ganz eigenen, sehr dringlichen Lebensantrieb bezogen. Man denke an The Cure, Nirvana, Avril Lavigne. Solche Musik hat eher Leben gerettet. Anders gesagt: Es gab endlich mal wieder einen Generationsgraben im Pop. Er zeigte sich auch, wenn man Eilish im Februar, im Rahmen ihrer ersten Deutschland- Tour, zum Interview traf und ihr zum Aufzeichnen ein iPhone 5 vor die Nase legte. "Dude, that's so old!", sagte sie, wie angeekelt - das Ding ist uralt! Nun, es kam auf den Markt, als sie zehn war.

Inzwischen hat Billie Eilish Pirate Baird O’Connell sagenhafte 15 Millionen Instagram-Follower – also fast so viele, wie Griechenland und Norwegen zusammen Einwohner haben. (Foto: Kenneth Cappello/Universal Music)

Ansonsten wirkte sie aber sehr freundlich. Sie sprach darüber, dass sie ursprünglich Tänzerin werden wollte, aber dann zog sie sich mit 14 beim Training einen Muskelriss zu, lag wochenlang im Bett. Dass ihre Musik zugleich laut und sehr leise klinge - als horche man direkt in ein Gehirn hinein, in dem tosende Stille herrscht, in dem Gefühle rasen und Schreie stumm bleiben: Das hörte sie sich genauso amüsiert an wie die Deutung, dass im klaustrophoben, digitalen Sounddesign ihrer Musik vielleicht das Verhältnis zwischen Körperlichkeit und Intimität im Internet-Zeitalter hörbar werde. Überinterpretiert: möglich. Aber suizidal? Auf keinen Fall.

Im Gegenteil: Wie Millionen andere Teenager will Billie Eilish dazu beitragen, dass der Planet länger bewohnbar bleibt. Sie kündigte an, auf ihrer großen Welttournee im Jahr 2020 Plastikstrohhalme zu verbieten.

© SZ vom 01.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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