Popmusik:Männlich & weiß

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Der neue "Preis für Popkultur", der am Freitagabend erstmals in Berlin vergeben wurde, könnte und sollte diverser, migrantischer und relevanter werden. Über Potenziale und Probleme der Branche und einen lang ersehnten Gegenpreis zum Echo.

Von Jan Kedves

Der erste Eindruck zählt. Als in Berlin am Freitagabend zum ersten Mal der neue "Preis für Popkultur" verliehen wurde, war der erste Eindruck also: Aha, ein neuer Preis für weiße, biodeutsche, männliche Popkünstler. Wie zum Beispiel für den Rapper Casper, dessen morbide Single "Lang lebe der Tod" durch das wie aus dem Hades herübergewehte Gaströcheln des Westberliner Krach-Faktotums Blixa Bargeld (auch live zu hören) sehr gewann. Im vollbesetzten Berliner Tempodrom wurden am Freitagabend auch der Indiepop-Sänger Bosse, die Retro-Achtziger-Newcomer Drangsal und das Berliner Elektro-Duo Moderat ausgezeichnet - alles durchaus Momente, in denen man dachte: Ja doch, das hat wirklich internationales Format.

Ein bisschen auf die Balance achten sollte man aber doch schon, wenn man sich als neugegründeter "Verein zur Förderung der Popkultur" auf die Fahnen geschrieben hat, in Deutschland endlich einen anständigen Gegenpreis zum sagenhaft heruntergekommenen Echo zu etablieren. Der Grundgedanke ist schließlich absolut richtig: Die jährliche Echo-Verleihung ist ein Graus, bei dem zwischen den Auftritten von Schlagerstars wie Helene Fischer und Andreas Gabalier immer ganz aufgeregt so getan wird, als wäre das alles enorm spannend. Obwohl das zentrale Echo-Kriterium der kommerzielle Erfolg ist, was nun mal heißt: Wer am höchsten in den Charts stand, gewinnt den Preis.

Endlich nun einmal ein deutscher Qualitäts-Pop-Preis also, bei dem - ähnlich wie bei den amerikanischen Grammys - anonym abgestimmt, notariell streng überwacht und auch sonst viel richtig gemacht wird. Das dachten sich zumindest der Popmanager Beat Gottwald, der Sony-Manager Willy Ehmann, der Presse-Promoter Stephan Velten und all die anderen Initatoren des Preises für Popkultur. Gute Idee!

Nur: Was bringt so eine Veranstaltung, wenn sie die Frauen und die Rapper mit Migrationshintergrund fast vollständig übergeht? Fazit: Es muss diesen Preis im nächsten Jahr unbedingt wieder geben, denn nichts ist schlimmer als der Echo. Aber er muss sich unbedingt wandeln. Er muss diverser, weiblicher, migrantischer werden - und damit relevanter. Auch eine Frau als Moderatorin wäre ratsam - nur bitte nicht Barbara Schöneberger. Die ist beim Echo gut aufgehoben.

© SZ vom 13.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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