Popkolumne:Zu viel Verkehr

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Die Popereignisse der Woche. Diesmal mit Farin Urlaub, Robert Plant, JD McPherson und der Frage, warum Pink keine gute Musik macht.

Von Max Fellmann

(Foto: N/A)

Hier mal ein kleines Rätsel. Auf dem Album "Berliner Schule" veröffentlicht Farin Urlaub Demoaufnahmen der letzten 30 Jahre, darunter einen Song, den er für eine andere Band verfasst hat. Die wollte den aber nicht. Urlaub verschweigt, welche Band das war, aber der Song ... na, schauen wir mal: Er heißt "Bist du dabei?", der Schlagzeugrhythmus könnte ein Stadion zum Hüpfen bringen, über breiten Rockgitarren tänzelt eine kleine Synthie-Melodie. Der Text geht so: "Ich fahre raus an den See / heute ist nicht zu viel Verkehr / das Wetter ist genial / aber mein Auto ist so leer", und dann der Refrain, gemacht zum Mitsingen: "Ich wollte dich nur fragen, kommst du mit? / Ich wollte dich nur fragen, bist du dabei?" Wem die Indizien noch nicht reichen, der möge den Refrain einfach umtexten in "Ich wollte dir / nur mal eben sagen, dass du ... / mit mir an den See fahren sollst." Na? Genau. Farin Urlaub hat da eine schöne Verneigung vor einer bekannten Münchner Band hingekriegt. Im Booklet der CD gibt er gut gelaunt zu, dass der Band das Lied leider nicht gefiel - ein bisschen beleidigt klingt er nur, als er hinterherschiebt, für die Ärzte oder seine Soloband habe er den Text "dann doch zu unschuldig und zu harmlos" gefunden.

(Foto: N/A)

Pink ist im Grunde sehr zu bewundern. Die Sängerin hat in der immer noch viel zu männlich dominierten Musikwelt eine starke, erkennbar selbstbestimmte Rolle, sie findet gute Worte, wenn es um Gleichberechtigung geht, bei den Video Music Awards im August hat sie eine weltweit beachtete Rede gegen Bodyshaming und überdrehte Schönheitsideale gehalten. Toller Mensch. Nur die Musik kann nicht mithalten. Die gehorcht dann doch immer genau den Regeln, die der Mainstream-Pop-Markt vorgibt. Ihr neues Album "Beautiful Trauma" (Sony) ist voll mit den Elektro-Beats und Großraumdisco-Synthies, die sich nahtlos ins plastikbunte Hitformatradio einfügen. Das Pink-Dilemma: Wenn sie Gehör finden will, muss sie massenkompatibel bleiben. Wäre ihre Musik so eigenständig und ungewöhnlich wie die Person selbst, dann hätte sie gleich viel weniger Zuhörer. Es ist ein bisschen wie mit den Vitaminen für Kinder: Damit die Kleinen das gute Zeug schlucken, muss es in Marmelade verpackt sein. Naja, Hauptsache, die Vitamine kommen an.

(Foto: N/A)

Langweilig: Musiker, die Retro-Musik machen und so tun, als hätte es die Jahre nach ihrer Lieblings-Ära nie gegeben. Langweilig: Musiker, die sehr entschieden Heute-Musik machen und so tun, als hätte es vor ihnen überhaupt noch nie irgendetwas gegeben. Sympathisch: Musiker, die einer vergangenen Epoche huldigen, aber auch wissen, dass in der Zwischenzeit viel passiert ist. Der Amerikaner JD McPherson kommt eigentlich aus der Rockabilly-Ecke, trotzdem klingt sein neues Album "Undivided Heart & Soul" (Pias/New West) nicht nach gestern. Das liegt vermutlich daran, dass ihn sein Freund Josh Homme unterstützt und ein bisschen aus den vertrauten Ecken rausgescheucht. Das heißt aber zum Glück nicht, dass die beiden traditionelles Songwriting mit technischem Schickschnack von heute verfremden würden, sie entstauben nur geschickt das Handwerkszeug der Fünfziger und Sechziger. Das Ergebnis kann es mit den Black Keys lässig aufnehmen: klassischer Gitarren-Twang mit einer feinen, sehr heutigen Brechung. Ein Eddie Cochran für das 21. Jahrhundert.

Man muss Robert Plant unbedingt zugute halten, dass er immer wieder Neues probieren will. Wenn es nach Jimmy Page ginge, würden die beiden seit Jahren von Stadion zu Stadion reisen und ein Led-Zeppelin-Reunion-Konzert nach dem anderen geben. Aber das hat Plant schon vor zehn Jahren abgelehnt mit dem charmanten Hinweis, er habe dafür leider einfach keine Zeit. Er umgibt sich lieber mit Musikern aus aller Welt, sucht weiter nach der idealen Verbindung von Blues, keltischer Folklore und Weltmusik. Das neue Album heißt "Carry Fire", elf Songs, ein bisschen archaisches Gepolter, ein bisschen Marokko, ein bisschen abgehangener Blues. Bemerkenswert ist aber, wie gut Plants Stimme das Alter steht: Einst jodelte er arg viril, jetzt kratzt alles eher rau, und er ist seinen Blueshelden so nah wie nie. Ein merkwürdig U2-hafter Song hat sich aufs Album geschlichten, "New World", der steht ihm eher nicht. Andere Lieder haben dafür etwas Glühendes, Lauerndes, da wirkt Plant wie ein alter Schamane, der nachts allein ums Feuer tanzt. Am schönsten sind die extrem reduzierten Stücke wie "A Way With Words", nur ein paar Akkorde, ein paar hingehauchte Zeilen - wenn man sich hier mal was wünschen dürfte: Plant soll doch bitte durch irgendeinen Zufall Bon Iver kennenlernen und mit dem zusammen ein Album aufnehmen.

© SZ vom 11.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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