Popkolumne:Brilliant brizzeln

Neue Musik von Voodoo Jürgens, "Underworld" und Jeff Lynne - sowie die Antwort auf die Frage, warum es doch gar nicht so eine schlechte Idee von Marius Müller-Westernhagen war, sein Album "Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz" neu aufzunehmen.

Von Max Fellmann

Popkolumne: undefined

Eigentlich hätte man meinen können, wenn da ein Wiener unter dem Kalauer-Namen Voodoo Jürgens auftritt und auf schrulliger Bänkelsänger macht, dann wird der ein feiner Independent-Tipp bleiben und für immer in Beisln (österreichisch: Kneipen) spielen. Als er vor drei Jahren auftauchte, war bei ihm alles krummer, sperriger als bei Wanda und den anderen österreichischen Bands, die mit Exportschlagern zu Exportschlagern wurden. Aber Jürgens (bürgerlich David Öllerer) spielte unermüdlich auf kleinen Bühnen seine Lieder, die in breitem Wienerisch vom Leben erzählen, vom Rausch, von der Stadt, von der Liebe. Und weil er viel Charme hat und die Leute sich begeistert von seinen Konzerten erzählten, wurden die Bühnen größer und größer. In Österreich ist er jetzt ein Star und drei Jahre nach seinem Debütalbum, gibt es endlich ein neues, es heißt "'s Klane Glücksspiel" und klingt wie ein weinseliger Beisl-Abend: akustische Instrumente, Ziehharmonika, schräge Bläser, manchmal ein bisschen weit im Schunkligen, dann wieder aufgefangen durch Tom-Waits-Anleihen. Dazu Jürgens' leicht knatschiger Gesang, schöne und traurige Geschichten vom Kartenspielen, Taxifahren, Feiern, Träumen. In den nächsten Wochen ist er auf Tour, auch in Deutschland. Spätestens für den Termin in Dortmund sollte er vielleicht schauen, ob man Konzerte auch mit Untertiteln geben kann.

Popkolumne: undefined

Marius Müller-Westernhagen hat sich noch mal das Album vorgenommen, mit dem er vor 40 Jahren bekannt wurde, "Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz". Er hat die Lieder alle neu eingespielt, in einem Studio in Woodstock, das Ergebnis nennt er "Das Pfefferminz-Experiment". Schöne Ausnahme in Zeiten, in denen andere allen Ernstes live ihre größten Alben so originalgetreu wie möglich runterspielen. Der Mann ist jetzt 70, die neue Version fällt erwartungsgemäß ruhiger aus als das Original. 1978 grölte und nölte er sich durch hektische Rock'n'Roll-Songs wie "Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz" und "Oh Margarete", die bringt er jetzt betont entspannt, mit behutsamen Folk-Gitarren und viel Luft zwischen den Tönen. Da schimmert immer so ein "Paris, Texas"-Gefühl durch, man soll bitte gern hören, dass das Album in Amerika auf dem Land entstanden ist. Bei manchen Liedern geht das nicht so gut auf, "Dicke" war einst eine Provokation, jetzt wird eine Art Parodie der Parodie draus. Aber dem Alkohol-Song "Johnny Walker" steht die Stimme des älteren Herrn sehr gut. Sollten sich mehr Sänger trauen, so was.

Popkolumne: undefined

Ein Jahr lang hat das Duo Underworld jetzt sein "Drift"-Projekt durchgezogen. Karl Hyde und Rick Smith, weltbekannt seit dem Klassiker "Born Slippy", der den Film "Trainspotting" befeuerte, wollten nach all der Zeit mal etwas anderes probieren. Also nahmen sie sich vor, ein Jahr lang jeden Donnerstag einen neuen Track auf ihrer Website zu veröffentlichen. Zwang als Methode. Dabei entsteht natürlich viel Geht-schon-so, aber doch auch immer wieder einiges an Hey-nicht-schlecht. Die komplette Sammlung auf sieben CDs ist nur etwas für Fans, aber die zehn Stücke auf der "Drift Series 1 Sampler Edition" ergeben ein ziemlich gutes Underworld-Album. Flächige Elektromusik, manchmal nervös, manchmal sphärisch, der Drumcomputer marschiert, die Synthesizer brizzeln. Am schönsten sind aber die Überraschungen, vor allem das wunderbare Ambient-Stück "Brilliant Yes That Would Be" mit seinen wal-artigen Klagesounds. Hyde und Smith haben übrigens so viel Gefallen an der neuen Produktionsweise (und dem großen Online-Zuspruch) gefunden, dass sie das Projekt einfach fortsetzen.

Popkolumne: undefined

Jeff Lynne ist ein komischer alter Vogel. Vor 50 Jahren hat er sich eine Sonnenbrille aufgesetzt und beschlossen, sie nie mehr abzunehmen. Vor 50 Jahren hat er sich einen Sound ausgedacht und beschlossen, ihn nie mehr zu ändern. Mit seinem Electric Light Orchestra gehörte er zu den ganz großen Übertreibern der Siebziger, er kombinierte Beatles-Harmonien mit plastikbunten Rock'n'Roll-Parodien und einem Meer kitschiger Geigen - und dabei ist es bis heute geblieben, auch wenn er längst nur noch eine One-Man-Band ist. Für viele Jahre hatte er den Namen ELO aufgegeben und trat als Jeff Lynne auf, seit ein paar Jahren läuft seine Musik unter dem Namen Jeff Lynne's ELO, aber egal, das hat sowieso keinerlei Auswirkung auf die Musik: Das neue Album "From Out Of Nowhere" hätte exakt so auch 1978, 1984, 1996 oder 2007 erscheinen können. Perfekt gemacht, angenehm flauschig, sofort mitsummbar und ohne jede neue Idee.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: