Pop:Zuckerwatte

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"Im Dschungel dieses Lebens hat sich das Glück vor dir versteckt": Auf ihrem achten Album schafft Helene Fischer die Mängel, die sie beseitigt, gleich mit. Genial.

Von Jakob Biazza

Wer mit Sehnsüchten Geld verdienen will, muss einen Mangel erschaffen. Gilt in der Wirtschaft, gilt im Pop. Helene Fischer hat das schon immer gewusst. Mit ihrem neuen, dem inzwischen achten Album, das schlicht ihren Namen trägt, hat sie das Prinzip nun aber perfektioniert.

Denn "Helene Fischer" ist brillant - das hat aber nichts mit der Musik zu tun. Die Musik ist völlig egal. Noch mehr als ohnehin schon verhält sich diese Musik zu den Gefühlen, die sie vermitteln will, wie der Stab zur Zuckerwatte: für den Geschmack völlig unerheblich, aber ohne gibt es Transportprobleme. Je nach Albumausführung bekommt man nun also bis zu 24 Stücke, die alle auf gleiche Art unterschiedlich klingen: mal nach Cello-Klavier-Ballade, mal nach Club mit eher günstig eingekaufter Lichtanlage, mal nach fußballstadiongroßer Wuuhuu-Euphorie. Der Stab eben.

Landet nach dem Verzehr in der Tonne. Genial aber ist die Zuckerwatte am Stab. Auf "Helene Fischer" sind ausschließlich Emotionen für Menschen, die Sehnsüchte im engen Feld von Begriffen wie "Leichtigkeit", "Freiheit", "losgelöst", "Sternenmeer", "schweben" oder "fliegen" hegen. Für alle also, die einen Mangel an den großen, raumgreifenden Emotionen an sich diagnostizieren. Oder ihn sich, denn das ist das Perfide an der Künstlerin, von Helene Fischer einreden lassen. Der Hörer erscheint auf dem Album nämlich fast nur als Mangelwesen. "Im Dschungel dieses Lebens hat sich das Glück vor dir versteckt"? Fischer "weiß, wie du dich fühlst". Und hat die Lösung: Einfach mit ihr das "Leben lauter drehen". Oder "im Raumschiff der Träume eine Runde drehen".

Das Album ist damit ein ständiger, generalstabsmäßig geplanter Hinweis auf den Widerspruch zwischen Sehnsucht und Wirklichkeit. Problemdiagnose und Heilung in einem. Eine Art Paradiesversprechen, erreichbar mit und durch Helene Fischer. Wäre es Politik, das Werk schrammte stets knapp am Populismusvorwurf vorbei. Man muss das nicht mögen. Aber man kann die technische Genialität bewundern.

© SZ vom 13.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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