Pop:Neue Flügel

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Nach 21 Jahren beenden Red Bull und die Berliner Kreativ-Agentur "Yadastar" ihre Zusammenarbeit. Der Traum von völliger kreativer Freiheit im Rahmen eines Konzern-Sponsorings scheint ausgeträumt.

Von Jan Kedves

Nach 21 Jahren beenden der Red Bull-Konzern und die Berliner Kreativ-Agentur "Yadastar" ihre Zusammenarbeit. Der Traum von völliger kreativer Freiheit im Rahmen eines Konzern-Sponsorings scheint ausgeträumt. Die Nachricht löste ein Erdbeben in der Welt des Pop aus. Yadastar entwickelte 1998 im Auftrag des österreichischen Konzerns die "Red Bull Music Academy", ein DJ- und Produzenten-Förderprogramm. Die Academy war von Jahr zu Jahr exzellent programmiert - die Frage, ob dadurch nicht auch neue Abhängigkeiten geschaffen werden, stellte fast niemand. Nina Kraviz, Flying Lotus und Hudson Mohawke gingen durch dieses Programm, heute sind sie Stars. 2005 kam das "Red Bull Radio" hinzu, ebenfalls produziert von der Yadastar-Agentur, gegründet von Torsten Schmidt und Many Ameri. Zu den Budgets äußerten sich beide nie.

Warum nun das Ende? Die Red-Bull-Pressestelle erklärt, man wolle weg vom "bisherigen zentralisierten Ansatz" - gemeint ist: weg von der Zuständigkeit einer externen Berliner Agentur für die ganze Welt. Doch weder die Academy noch das Radio hatten ein Problem mit Zentralisierung. Sie hatten ein Problem mit den Äußerungen des Red-Bull-Chefs Dietrich Mateschitz. Der steht in Österreich hinter rechtstendenziösen Medien wie "Addendum" und "Servus TV" und gab 2017 der "Kleinen Zeitung" ein Interview, in dem er gegen Flüchtlinge und das "Meinungsdiktat des politisch Korrekten" polterte. Es dauerte eine Weile, bis die Kunde seines Rechtsdralls durchsickerte. Als es soweit war, im Oktober 2018 bei der nun letzten Red Bull Music Academy in Berlin, sagten einige ihre Teilnahme aus Protest ab. Hinzu kam der Zensur-Vorwurf: Der Klangkünstler Nik Nowak berichtete, er sei ins Red Bull Radio eingeladen worden, aber man habe ihm das Mikro abgedreht, als er auf Mateschitz' Gesinnung zu sprechen kommen wollte. Kurz: Der Konzern bekam ein PR-Problem. Berlin ist nun verbrannte Erde.

Die Entscheidung, Academy und Radio nicht weiterzuführen, lässt sich aber auch so lesen: Alle diskursiven Formate müssen weichen, damit es nicht mehr ungeplant zu Kritik kommen kann. Red Bull kündigt zwar an, mit konzerninternen PR-Teams weiterhin Musikfestivals zu organisieren, und auch die Musikstudios, die man - etwa in Berlin-Kreuzberg - betreibt, sollen erhalten bleiben. Aber der Output von Konzerten und Studios lässt sich viel leichter kontrollieren und "on brand" halten (wie es in der PR-Sprache heißt) als der von Live-Diskussionen und -Interviews.

Die Yadastar-Agentur dankt derweil allen, die bei Red Bull mit ihnen zusammengearbeitet haben: "Wir wissen, dass viele von euch ins Unternehmen gekommen sind, weil ihr dieselben Werte hochhaltet wie wir. " Das klingt fast wie eine Einladung zum Überlauf. Arbeitet die Agentur schon an vergleichbaren Musik-Formaten mit neuen Sponsoren? Auch andere Marken können Flügel verleihen.

© SZ vom 05.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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