Pop:Melodien zum Pfeifen

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Burt Bacharach, der Perfektionist leichter Musik, erstmals in München

Von Oliver Hochkeppel, München

Wie schwer das Leichte oft ist, hat man 2013 in Burt Bacharachs Autobiografie erfahren können. Der "King of Easy", der Komponist und Arrangeur, der wie kein anderer mit dem für jeden Song perfekten Kleid Melodien zu unvergesslichen Ohrwürmern machen konnte, beschrieb da, wie hart er dafür arbeiten musste: Kein Song sei je aus einer blitzartigen Inspiration entstanden, jeden habe er mühevoll und langwierig erarbeiten müssen. Er komponiere im Kopf, nie am Klavier, und höre immer bereits Instrumentierung und Arrangement mit, weshalb auch alles zusammen aufgenommen werden müsse, sagte Bacharach. Er misstraue außerdem chronisch den ersten Einfällen und feile unentwegt an den Melodien. Bis heute leide er deswegen an Schlaflosigkeit.

In der Szene war Bacharach für seinen Perfektionismus bekannt. Legendär ist die Aufnahmesession bei seinen Song "Alfie" - der als Titelstück des gleichnamigen Films ein Hit wurde -, als er die Sängerin Cilla Black gut 30 Mal wiederholen ließ, bis Beatles-Produzent George Martin dazwischenging: "Ich glaube, du hattest es beim vierten Mal. Was suchst du denn?" "Dieses bisschen Magie", war Bacharachs Antwort. Das Publikum bekam immer nur das "magische" Endprodukt mit.

1928 in Kansas City als Sohn eines Journalisten und einer Musiklehrerin geboren, wuchs Bacharach in New York auf und wollte eigentlich Sportler werden. So spielte er immer leidenschaftlich Tennis, züchtete Rennpferde und ist seit 1993 in vierter Ehe (nach Schauspielerin Paula Stewart, Angie Dickinson und Carole Bayer Sager) mit Jane Hansen verheiratet - seiner ehemaligen Skilehrerin. Doch nicht zuletzt Dizzy Gillespie und Count Basie, die ihn mit 15 begeisterten, führten ihn zur Musik. Das klassische Musikstudium fiel ihm nicht leicht: "Die Klassik kam mir dunkel und schwer vor - bis ich Debussy und Ravel entdeckte." Bei seinen berühmten Kompositionslehrern Bohuslav Martinu, Henry Cowell und Darius Milhaud lernte er nicht nur Orchestrierung und Tonsatz, sondern auch einen vielleicht entscheidenden Satz: "Schäme dich nie für eine Melodie, die man pfeifen kann", sagte ihm Milhaud einmal.

Zunächst freilich schlug sich Bacharach als Pianist für Schlagersänger wie Vic Damone und die Ames Brothers durch. Bis er einen Anruf von Marlene Dietrich bekam, sich einen Auftritt von ihr in Warschau anzuschauen. "Sie erwartete mich im Schnee mit einem Dior-Schal an der Gangway und goss mir als erstes einen Wodka ein," erinnerte er sich. Fünf Jahre lang blieb Bacharach Dietrichs musikalischer Direktor, und machte sie mit maßgeschneiderten Arrangements und Songs zum Gesangsstar. "Wie viele solche Männer findet man? Er war der einzige für mich," schwärmte sie später von ihm - musste ihn aber bald mit anderen teilen, weil sein Ruhm als Songwriter wuchs. Der Durchbruch kam 1961, im legendären Trio mit seinem Textautor Hal David und der Sängerin Dionne Warwick, seiner Entdeckung und Muse. Allein von dieser Konstellation - die er 1973 nach dem Misserfolg des Musicals "Last Horizon" mutwillig zerstörte - gingen zwölf Millionen Platten mit Hits wie "Walk on By", "Anyone Who Had a Heart", oder "I'll Never Fall in Love Again" über den Ladentisch. Alle wollten nun mit ihm arbeiten, von Aretha Franklin über Barbra Streisand bis zu Noel Gallagher oder Elvis Costello. Sein letztes eigenes Album "At This Time" 2005 wurde eine Anklage der konservativen US-Politik - dabei lag das Geheimnis seiner mehr als 60 Top-Forty-Hits doch stets in der - völlig unpolitischen - Leichtigkeit, mit der er Melancholisches erklingen ließ. Und in den komplexen Strukturen, die man kaum hörte - so wie die fünf Klaviere, die im Hintergrund von "What's New Pusscat" in Stimmung und Time versetzt für Spannung sorgen.

Fast immer stand Bacharach dabei im Hintergrund, jetzt aber, mit über 90, findet er Gefallen am Rampenlicht. Im vergangenen Jahr gab er in Berlin sein erstes Deutschland-Konzert überhaupt. "Das schönste Konzert meines Lebens", sagte er unlängst in Interviews. Und dass er sich einen solchen Moment jetzt auch in München abholen will.

Burt Bacharach ; Dienstag, 9. Juli, 20 Uhr, Philharmonie im Gasteig, Rosenheimer Straße 5

© SZ vom 09.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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