Pop:Gefühllos durch den harten Alltag

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Adele Nigro startete ihr Projekt Any Other als Trio und erweiterte es zwischendurch zu einem Septett. (Foto: 42 Records)

Adele Nigro alias Any Other wurde vom italienischen "Rolling Stone"-Magazin zur besten Sängerin ihrer Heimat gekürt, was ihr gar nicht recht ist. Nun startet sie ihre Europa-Tournee im Münchner Unter Deck

Von Dirk Wagner

Wenn Sie mich nicht sehen, bin ich nichts", singt Adele Nigro alias Any Other und ergänzt den Satz: "Aber wenn sie mich wahrnehmen, bin ich immer noch nichts." Auch wenn dieses Zitat aus "Walkthrough", der ersten Single aus ihrem zweiten Album "Two, Geography" (42 Records), hier in einem ganz anderen Kontext steht, kommentiert es doch auch Nigros Umgang mit ihrer wachsenden Popularität. Immerhin hat die italienische Ausgabe der Musikzeitschrift Rolling Stone sie zur besten weiblichen Sängerin des Jahres gekürt. Woraufhin Nigro der Redaktion nach eigenem Bekunden eine Liste mit weiblichen Musikerinnen aus Italien schicken wollte, die alle nie Erwähnung im Blatt finden, weil der Rolling Stone die Rockmusik als eine männlich besetzte präsentiert. Dann fiel ihr aber jene Besprechung im Blatt ein, in der kritisiert wurde, dass der italienische Popsänger Tiziano Ferro als Schwuler Lieder über Heterosexuelle schreiben würde. Also beschloss Nigro: "Ihr bekommt nicht einmal meine Liste."

Als Zwölfjährige hatte Nigro bereits ein wenig Saxofon gespielt. Später, als sie mit Cecilia Grandi das Duo Lovecats gründete, sang sie anfangs nur. Um aber auch eigene Songs schreiben zu können, lieh sie sich eine Gitarre aus und brachte sich mit Hilfe des Internets das Spielen selber bei. Als sich die Lovecats dann auflösten, beschloss Nigro, auch ohne Grandi weiter Musik zu machen. Für ihr neues Projekt wählte sie den Namen Any Other, der sowohl Nigro als Musikerin benennt wie er zugleich auch die Band bezeichnet, mit der sie spielt. Darüber hinaus spielt Nigro mittlerweile in verschiedenen anderen Musikprojekten mit. Sie selbst beschrieb das einmal als eine Art, aus dem Haus gehen. In anderen Bands würde sie neue Eindrücke und Erfahrungen sammeln, mit denen sie später wieder heimkehrt, um sie dort in der eigenen Musik zu verarbeiten.

Eine Musik, die seit Any Others Debüt vor drei Jahren hörbar gewachsen ist. Was nicht zuletzt auch das anfängliche Trio zu einer siebenköpfigen Formation wachsen ließ, die auf dem zweiten Album nun mit Gitarre, Klavier, Schlagzeug und Saxofon eine Musik schafft, die auch Free-Jazz-Elemente in den Indiefolk einfließen lässt. Etwa im eingangs zitierten "Walkthrough", durch das eine akustische Gitarre mit dem Gleichlauf eines durch die Landschaft ratternden Zuges schrammelt. Am Horizont jener Landschaft schimmern ganz dezent auch andere Gitarrenläufe. Schlagzeug-Attacken stören plötzlich den Gleichlauf. Klavierläufe werden auf eine Weise ins Bild getupft, als erführe der vor Jahren verstorbene Fernseh-Maler Bob Ross seine musikalische Reinkarnation. Und immer wieder behaupten sich Saxofone. Geradezu Mantra-artig singt Nigro derweil, dass, egal, wie hart man sie schlagen, schubsen, ficken oder lieben würde, sie eh nichts fühlen würde. Zu viert starten Any Other im Unter Deck ihre Europa-Tournee. Mit dabei der Venezianer Marco Giudici an den Tasten, der in Italien übrigens als Halfalib auch eigene Songs veröffentlicht.

Any Other , Mo., 16. Sep., 20 Uhr, Unter Deck, Oberanger 26, Support: Angela Aux

© SZ vom 17.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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