Pop:Die Ruhe im Hip-Hop

Lesezeit: 1 min

Thebe Kgositsile, der sich Earl Sweatshirt nennt, stellt mit "Some Rap Songs" ein überwältigendes Album vor.

Von Jan Jekal

Als die Mitglieder des Hip-Hop-Kollektivs Odd Future vor bald einem Jahrzehnt zu Erneuerern ihres Genres wurden, fiel Thebe Kgositsile, alias Earl Sweatshirt, durch seine introvertierte Art auf. Seine schlaftrunkene Phrasierung klang nach medikamentös induzierter Gelassenheit, sein scheinbar emotionsloser Mono-Ton täuschte, das verrieten die Texte, über einige Ängste hinweg. Für eine sonst mit Selbstüberhöhung operierende Kunstform wie den Hip-Hop war und ist das ziemlich ungewöhnlich.

Thebe Kgositsile, Künstlername: Earl Sweatshirt, hat sein mittlerweile drittes Solo-Album produziert. (Foto: Getty Images)

Als die düster-dissonanten Beats von Odd Future und ihr flamboyantes Auftreten allmählich in den sozialen Medien Aufmerksamkeit erregten, verschwand Kgositsile plötzlich. Der junge Mann, begabt, labil und zu dieser Zeit erst sechzehn Jahre alt, tauchte unter, besuchte ein Internat für gefährdete Jugendliche auf Samoa, weit weg von seiner Heimat Los Angeles. Erst Jahre später kehrte Kgositsile zurück.

"Some Rap Songs", so der Understatement-Titel seines nun erschienenen dritten Albums, ist sein bisher gelungenstes Werk, eine Sammlung skizzenhafter Stimmungsstücke. Kaum ein Track ist länger als anderthalb Minuten. Collagenartig stellt Kgositsile die Stücke zusammen. Er loopt Samples, verlangsamt das Originalmaterial, die Tonhöhe sinkt, oder er beschleunigt es sporadisch, damit es wie die Tonspur einer leiernden VHS-Kassette klingt.

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Verhallte Soul-Stimmen zum Beispiel, völlig ihrem Kontext entrissen, wie in dem Standout-Track "Azucar", oder E-Gitarren in einiger Entfernung, das Knistern eines Plattenspielers kaum noch vernehmbar, bilden die akustische Grundstruktur, auf die Kgositsile seine Lines legt.

Das Rauschen der Spuren - selbst sein Rappen klingt, wie von einem alten Mikrofon abgenommen - wirkt beruhigend. Durch das grobe Sampling aber, das plötzliche Stottern verfremdeter Stimmen, und das abrupte Ende melodischer Figuren und ganzer Lieder, werden die warmen Klänge immer wieder aufgebrochen.

Kgositsile nutzt keine klassischen Songformen, keine Refrains, er will schnell weiter, so entsteht ein fast nahtloser Übergang von Track zu Track, es bildet sich ein Sog, man muss und will das Album in einem Durchgang hören, es läuft ja auch nur fünfundzwanzig Minuten, und weil es nur fünfundzwanzig Minuten läuft, muss man es gleich wieder von vorne hören.

© SZ vom 04.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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