Prodigy:Die Nacht gehört dem Fuchs

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Die Band The Prodigy: Liam Howlett, Keith Flint und Maxim (v.r.). (Foto: AFP)

Ein Interview mit dem Prodigy-Keyboarder und Produzenten Liam Howlett anlässlich der Tour zu "The Day Is My Enemy".

Interview von Jürgen Moises

In den 1990ern bastelte die britische Band The Prodigy zusammen mit anderen Bands und Musikern wie The Chemical Brothers und Fatboy Slim aus Breakbeats und Rave-Elementen einen neuen Sound, den die britische Musikpresse damals als "Big Beat" klassifizierte. Idealtypisch verkörpert wird dieser bis heute durch den Prodigy-Song "Firestarter", mit dem die aus Braintree, Essex, stammende Band 1996 auf Platz 1 der UK-Single-Charts landete. Im Interview spricht Bandgründer, Keyboarder und Songwriter Liam Howlett über das neue Album "The Day Is My Enemy" und die aktuelle Tour mit der Hip-Hop-Legende Public Enemy.

SZ: Euer aktuelles Album heißt "The Day Is My Enemy". Steckt dahinter eine besondere Bedeutung, Geschichte oder eine Art Philosophie?

Liam Howlett: Ursprünglich sollte das Album "How To Stay A Jetfighter" heißen, ein Titel, der sich auf Songs bezog, die wir bereits 2013 geschrieben haben. Später fand ich die Lieder aber nicht mehr gut genug und warf mit den Songs auch den Titel über Bord. Als das neue Album so gut wie fertig war und nur noch ein Song fehlte, merkte ich, wie mir tagsüber irgendwie die Energie ausging. Deswegen arbeitete ich von da an nur noch nachts, ging um acht Uhr abends ins Studio und kam erst um sieben Uhr morgens wieder raus. Und genau in der Zeit entstand "The Day Is My Enemy", der dann auch der Titelsong wurde. Als das Album fertig war, passierte noch etwas. Da war plötzlich dieser Fuchs, der nachts öfter zu meinem Studio kam.

Der Fuchs auf dem Album-Cover?

Ja. Ich glaube, er schlief unter meinem Auto, und ich dachte: Das muss doch was bedeuten. Wir fingen an, darüber nachzugrübeln, und schließlich wurde der Fuchs für uns so etwas wie ein rebellisches Symbol. Das passierte alles quasi in allerletzter Minute. Und es fühlte sich richtig an.

Ich habe gelesen, dass der Titel auch auf eine Zeile von Cole Porter anspielt.

Das ist aus einem Lied von Ella Fitzgerald, geschrieben von Cole Porter. Ich habe das Lied vor zwei oder drei Jahren gehört, und gleich bei der ersten Zeile "The day is my enemy and the night is my friend" dachte ich: Heilige Scheiße! Denn ich bin ein Nachtmensch. Kein Vampir, aber nachts sind einfach andere Menschen unterwegs. Da herrscht eine andere Energie. Nachts passieren einfach andere Dinge als am Tag.

Zwischen dem Album "The Day Is My Enemy" und Eurem letzten Werk "Invaders Must Die" liegen sechs Jahre. Warum diese lange Zeit? Weil man als Komponist kritischer und dadurch langsamer wird? Oder braucht es immer erst einen speziellen Impuls, um neue Songs zu schreiben?

Ich bin nicht auf der faulen Haut gelegen. Wie gesagt: Wir hatten schon fünf Songs geschrieben, aber ich war nicht glücklich damit. Dann hatten wir während des Komponierens immer wieder kleinere Streitigkeiten. Und zwar weil wir Freunde sind. Freundschaft und Arbeit, das passt nicht immer gut zusammen. Tatsächlich waren wir aber als Band noch nie schnell, wenn es ums Album-Schreiben ging. Deswegen werden wir auch keine Alben mehr machen. Nur noch EPs. Damit haben wir auch angefangen. Und sobald eine EP raus ist, machen wir die nächste. Bei einem Album wollen die Plattenfirmen immer, dass du vier Monate ins Studio gehst, und dann wollen sie noch mal vier Monate, um das Ganze zu promoten. Ich habe die Schnauze voll davon, und ich glaube, unsere Fans finden die lange Warterei genauso frustrierend. Die Musik hat sich verändert. Die Leute kommen heute viel schneller an Musik. Und genau darauf wollen wir auf diese Weise reagieren.

Ein Song wie "Ibiza" auf dem neuen Album klingt so, als wärt Ihr allgemein vom heutigen Musik-Business frustriert, speziell von den so genannten "Star-DJs".

Also ich habe nichts gegen DJs, auch nichts gegen die Insel. Aber es gibt Leute, denen es wichtiger ist, wie Stars mit ihren Händen durch die Luft zu wedeln. Dabei machen sie nichts anderes als einen Job. Wo ich herkomme, geht es um Integrität und Respekt. Du wirst mich auch nie einen Song schreiben sehen wie die von Justin Bieber oder Miley Cyrus. Das ist mal klar.

In einem Interview haben Sie und Sänger Keith Flint kürzlich ein mögliches Ende von The Prodigy angedeutet. Denkt Ihr wirklich daran, in Rente zu gehen?

Nein, nein, das stimmt nicht. Keith hat so etwas gesagt, aber ich glaube, er muss da mit dem falschen Bein aufgestanden sein. Außerdem liebt er es, die Leute zu verärgern. The Prodigy wird es solange geben, wie die Leute uns wollen. Wobei wir auch keine Ritual-Band werden wollen, die nur noch altes Zeug spielt. Es gibt schon genügend Bands, die genau das tun und denken, dass sie damit durchkommen. Wenn es mal so weit kommt, dann hören wir auch auf.

Auf Eurer aktuellen Tour werdet Ihr von Public Enemy begleitet, genauso wie The Prodigy eine Art lebende Legende. Wie kam es dazu?

Als es darum ging, wen wir als Gast mit auf Tour nehmen, habe ich spontan "Public Enemy" gesagt. Ich habe sie gefragt, und hätte nie gedacht, dass sie zusagen. Aber Chuck D meinte, es wäre ihnen eine Freude. Das ist unglaublich. Sie waren so ein wichtiger Einfluss für The Prodigy. Die frühen Public Enemy, ihre Alben bei The Bomb Squad Productions, das hat mich immer begleitet, wenn ich meine eigenen Lieder schrieb.

Sie sind also so etwas wie Jugendhelden?

Oh ja, absolut. Ich hatte wirkliches Glück als Teenager. Die erste Musik, die mir etwas bedeutete, war Two-Tone-Musik, also britische Ska-Bands wie The Specials. Da war ich ungefähr zwölf. Dann kamen Elektro und Hip-Hop. Diese ganze Kultur. Ich habe das geliebt. Und gleich darauf kam die Rave-Kultur. Ich hatte ein Riesenglück, mit drei verschiedenen, aufregenden Musikperioden aufzuwachsen, die mich alle inspiriert haben. Das war damals alles, was ich gebraucht habe, um mit The Prodigy loszulegen.

The Prodigy & Public Enemy, Montag, 9. November, 20 Uhr, Zenith, Lilienthalallee 29

© SZ vom 09.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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