Pop:CeDell Davis

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Niemand kratzte die Gitarre so ruppig taumelnd und doch so zielsicher durch seine Songs wie der am Mittwoch gestorbene amerikanische Bluesmusiker CeDell Davis.

Von Jens-Christian Rabe

Es gibt in der Popmusik den ewigen Wettstreit der Supergitarristen. Immer taucht ein neuer auf, der das Instrument noch etwas schneller und virtuoser spielen kann als alle anderen - und dafür auf der ganzen Welt gefeiert wird. Dabei ist das Rennen darum, wer der beste schlampigste Gitarrist ist, eigentlich das viel aufregendere. Ganz weit vorn war dabei der am Mittwoch im Alter von 91 Jahren gestorbene amerikanische Sänger und Bluesgitarrist CeDell Davis.

Auf dem Griffbrett seiner elektrischen Gitarre spielte er weder mit seinen Fingern, noch glitt er elegant mit einem Flaschenhals darüber. Er schob vielmehr mit der rechten Hand von oben ein billiges Metall-Buttermesser darauf herum. Wobei nicht wie üblich die tiefe E-Saite oben lag, sondern die hohe E-Saite. Um sie links herum spielen zu können, hatte er also eine handelsübliche Rechtshändergitarre nicht umgesaitet (wie einst Jimi Hendrix, der König aller Gitarrenvirtuosen), sondern bloß einmal umgedreht. Das musste reichen. Tatsächlich hatte der Mann mit ganz anderen Problemen als der vermeintlich korrekten Saitenpositionierung zu kämpfen.

Im Alter von zehn Jahren sorgte eine Polio-Erkrankung dafür, dass seine Arme und Beine teilweise gelähmt blieben. Er konnte danach nur noch mit Krücken laufen und nicht mehr mit der rechten Hand das Griffbrett seiner Gitarre greifen. Bei einem Auftritt 1957 in einer Bar in East St. Louis wurden ihm bei einer Massenpanik beide Beine gebrochen, was ihn in den Rollstuhl zwang. Seine besten Alben stammen aus den Neunzigerjahren: "Feel Like Doin' Something Wrong" und "The Horror Of It All". Niemand kratzte die Gitarre je so ruppig taumelnd und doch so rhythmisch und zielsicher durch seine Songs.

Nach einem Schlaganfall im Jahr 2005 konnte er nur noch singen, nicht mehr Gitarre spielen. Und er machte doch weiter Platten. Seine nun letzte erschien erst im vergangen Jahr: "Even The Devil Gets The Blues". Was für ein Titel! Wenn einer eine Ahnung davon haben konnte, dass auch der Teufel den Blues bekommen kann, dann ein so hart vom Schicksal geschlagener Musiker wie CeDell Davis.

© SZ vom 07.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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