Politik:Berlin bekommt wieder einen echten Kulturchef

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Klaus Lederer, 1974 in Schwerin geboren, war seit 2005 Vorsitzender der Berliner Linkspartei. Jetzt soll der Jurist Kultursenator in der Hauptstadt werden. (Foto: Britta Pedersen/dpa)

Der Linken-Landesvorsitzende Klaus Lederer soll das Ressort als Senator übernehmen.

Von Jens Bisky

Vielleicht ist Michael Müller die Proteste der Künstler leid, die mit den neuen Chefs, die er ihnen vorsetzt, partout nicht glücklich werden wollten. Vielleicht will die Linke bewusst an die Jahre der ersten rot-roten Koalition in Berlin anknüpfen, als der streitlustige Thomas Flierl von der PDS das Ressort Kultur und Wissenschaft im Ganzen erfolgreich führte. Im neuen, rot-rot-grünen Senat wird Klaus Lederer, bisher Landesvorsitzender der Berliner Linken, einem eigenständigen Kulturressort vorstehen. Die Tage, in denen der Regierende Bürgermeister (erst Wowereit, dann Müller) und ein Staatssekretär (erst André Schmitz, dann Tim Renner) kulturpolitisch entschieden, sind damit vorerst vorbei. Der Sozialdemokrat Michael Müller hat sich stattdessen das noch größere und kompliziertere Feld der Wissenschaft gegriffen. Die Geschicke der Universitäten und Forschungseinrichtungen will er künftig aus der Senatskanzlei heraus lenken.

Als Kultursenator ist Klaus Lederer bundesweite Aufmerksamkeit gewiss. 1974 in Schwerin geboren, 1992 in die PDS eingetreten, gehört er zu den Jüngeren, die das neue Berlin geprägt haben. Er kann gut und klar reden, fürchtet den Streit nicht, meidet Rituale der Rechthaberei. Er ist Jurist, singt gern (Tenor), lebt mit seinem Mann in Prenzlauer Berg und kennt sich in der Hauptstadtpolitik aus. Seit 2003 ist er Mitglied des Abgeordnetenhauses. Ende 2005 wurde er zum Landesvorsitzenden der Linkspartei/PDS gewählt. Diesen Posten gibt er nun auf.

So sehr viele ein eigenständiges Kulturressort für Berlin herbeigesehnt haben, so schwierig bleibt die Aufgabe. Das für linke Kulturpolitik interessanteste Vorhaben, der seit Jahren versprochene und immer wieder neu geplante Neubau der Landesbibliothek, wurde in den Koalitionsverhandlungen verschoben. Damit setzt sich das schäbige Spiel fort, das die Landespolitik seit Jahrzehnten mit dieser riesigen öffentlichen Bibliothek treibt. Es gibt in der Stadt keine Kultureinrichtung, die mehr Menschen aus unterschiedlichen Milieus, verschiedenen Alters und einander fremden Kulturen zusammenbringt - ein Ort der Stadtgesellschaft, verteilt auf mehrere, zu kleine und sanierungsbedürftige Standorte. Die neue Koalition hat diese Bibliothek in die Vorhölle der weiteren Prüfverfahren verbannt. So viel zur Kultur für alle.

Zunächst wird sich der neue Kultursenator der Ensembleberuhigung widmen müssen, am Staatsballett wie an der Volksbühne. Fast möchte man darauf wetten, dass deren kommender Intendant Chris Dercon nicht ganz so luxuriöse Bedingungen erhalten wird wie versprochen. Andererseits kann Klaus Lederer nicht den Verdacht riskieren, Verträge zu brechen, um Freunden und Nachbarn einen Gefallen zu erweisen - die Volksbühne liegt ein paar Schritte neben dem Karl-Liebknecht-Haus.

Versprochen wurde in den Koalitionsverhandlungen freier Eintritt in die Museen, zu bestimmten Zeiten, an gewissen Tagen wenigstens. Um hier Fortschritte zu erzielen, muss Berlin mit den anderen, den größeren Akteuren der Hauptstadtkultur verhandeln: der Stiftung preußischer Kulturbesitz und dem Bund. Klaus Lederer wird darüber mit der Staatsministerin Monika Grütters reden, die demnächst den Vorsitz der ramponierten Landes-CDU übernehmen, also Chefin der größten Oppositionspartei in Berlin werden wird.

Ob ihn der alte und neue Regierende Bürgermeister Michael Müller dabei unterstützt? Thomas Flierl musste von 2002 bis 2006 vielfach mit dem Widerstand und unfreundlichen Aktionen Klaus Wowereits leben. Bei Redaktionsschluss liefen die Koalitionsverhandlungen noch. Es hieß, sie seien geprägt von gutem Willen und Misstrauen.

© SZ vom 17.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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