Polen:Weltkriegstheater

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Wie die rechtspopulistische Regierung in Polen gegen einen Museumschef vorgeht, der in Danzig eine Ausstellung über den Zweiten Weltkrieg kuratiert hat.

Von Florian Hassel

Bereits im April 2017 übernahm Polens nationalpopulistische Regierung die Kontrolle über das neue Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig und feuerte Direktor Paweł Machcewicz. Der Ex-Direktor, der das Museum entwarf, ist für die Regierung immer noch ein Mann von Interesse: In Danzig will ihn die Staatsanwaltschaft vernehmen. Doch weil Machcewicz auf Forschungsaufenthalt im Ausland ist, schickten die Danziger zwei Geheimdienstmitarbeiter nach Warschau: Dort klingelten sie am Dienstag an seinem Privathaus und fragten seinen Sohn, wann der Vater wieder in Polen sei und zum Verhör erscheinen werde.

Der Hintergrund: Das Weltkriegsmuseum bleibt umkämpft - und ebenso die Zukunft der Stadt Danzig. Ex-Direktor Machcewicz und international führende Historiker entwarfen ein Konzept, das den Zweiten Weltkrieg nicht nur aus nationaler, sondern internationaler Perspektive zeigt. Das aber passt der auf Polen fixierten Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (Pis) nicht. Der Museumsdirektor hatte einen langjährigen Vertrag. Um ihn loszuwerden, vereinigte das Kulturministerium das bestehende mit einem gar nicht existierenden Museum - und ernannte für die zumindest auf dem Papier neue Kulturinstitution im April einen neuen Direktor.

Der wandelte die Ausstellung bald patriotisch-polnisch um. Eine Ausstellung aber unterliegt dem Copyright seiner Macher. Machcewicz kündigte an, gegen jede Änderung vor Gericht zu klagen. Die Regierung setzte ihn ihrerseits unter Druck. Erst behauptete der Vize-Kulturminister, Machcewicz habe das Museum zum Schaden der öffentlichen Finanzen größer gebaut als genehmigt, trotz der Jahre zuvor erteilten Baugenehmigung. Nun untersucht die Polens Justizminister unterstehende Danziger Staatsanwaltschaft einen Vertrag zwischen Machcewicz und dem Bürgermeister auf angeblichen "Schaden für das Museum" - und schlägt so zwei Fliegen mit einer Klappe. Danzigs Bürgermeister Paweł Adamowicz ist entschiedener Gegner der Regierung.

Karol Nawrocki, der neue Direktor des Weltkriegsmuseums, der bei der Staatsanwaltschaft eine die Ermittlungen auslösende Anzeige einreichte, ist 2018 ein Pis-Kandidat für die Bürgermeisterwahl.

Am 8. November rückten gleich fünf Agenten des gern gegen politische Gegner eingesetzten Geheimdienstes CBA in Danzigs Stadtverwaltung an, um den fünfseitigen Vertrag zu beschlagnahmen. Bürgermeister Adamowicz wurde vom Staatsanwalt vernommen; Ex-Museumsdirektor Machcewicz ist als Nächster an der Reihe. Er will sich indes erst beim Geheimdienst melden, wenn er nach Warschau zurückgekehrt ist und eine formgerechte Vorladung bekommen hat. Der "Besuch" der Geheimdienstler in seinem Haus kam nur wenige Tage bevor Machcewicz in Warschau ein Buch über die Hintergründe des Kampfes um das Weltkriegsmuseum vorstellen will.

© SZ vom 01.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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