Partnerschaft:Seismografen der Gesellschaft

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Eva-Maria Fahrner-Tutsek, hier vor dem Bild "Theater (After The Acropolis)" von James Casebere, schätzt den internationalen Ruf des Hauses der Kunst. (Foto: Courtesy der Künstler und Sean Kelly, New York / Florian Peljak)

Eva-Maria Fahrner-Tutsek ist Vorsitzende der Alexander Tutsek-Stiftung in München. Diese engagiert sich für Kunst und Wissenschaft und ist Großsponsor im Haus der Kunst

Von Evelyn Vogel

Kanada, Japan, England waren einige Stationen der vergangenen Wochen. Eva-Maria Fahrner-Tutsek ist sehr viel unterwegs. Und doch trifft man die zierliche Frau mit der markanten Ponyfrisur auch sehr oft auf Vernissage und bei gesellschaftlichen Ereignissen in München - ob im Haus der Kunst, in der Pinakothek der Moderne oder an der Akademie der Bildenden Künste, wo sie sich gerne intensiv mit Studenten unterhält. Man merkt schnell: Sie interessiert sich sehr und sie beobachtet genau, was in der Kunstszene geschieht. Dann entscheidet sie aber auch schnell und ohne zu zögern. Eine dieser Entscheidungen hat sie vor ein paar Wochen gemeinsam mit Kunstminister Ludwig Spaenle und Museumsdirektor Okwui Enwezor bekannt gegeben: Nämlich, dass die Alexander Tutsek-Stiftung der neue Großsponsor im Münchner Haus der Kunst ist.

Eva-Maria Fahrner-Tutsek nimmt sich die Zeit für ein Gespräch, um zu erklären, warum die Stiftung, die bislang schon einzelne Projekte im Haus der Kunst förderte, fortan das Museum am Englischen Garten mit jährlich einer halben Million Euro unterstützen wird. Nebenbei: Die Stiftung wird dann auch mit ebenso viel Stimmrecht im Aufsichtsrat wie der Freistaat und der Freundeskreis vertreten sein.

Dabei ist die Alexander Tutsek-Stiftung nicht nur schon sehr lange Mitglied bei den Freunden des Hauses der Kunst, sondern auch bei Pin, den Freunden der Pinakothek der Moderne. Für deren Fotosammlung hat man in der Vergangenheit Arbeiten angekauft und wird eine neue Ausstellungsreihe zu aktuellen Positionen der internationalen zeitgenössischen Fotokunst unterstützen. Auch gab es einzelne Projektförderungen für die Pinakothek der Moderne, der man auch weiterhin verbunden bleiben will.

Im Haus der Kunst wiederum förderte die Stiftung 2014 die Ausstellung des Fotografen Stan Douglas sowie in diesem Frühjahr die von James Casebere. "Wir beobachten das Museum schon seit einigen Jahren sehr genau", betont Eva-Maria Fahrner-Tutsek. Zum fünften Todestag ihres Mannes Alexander Tutsek in diesem Jahr und nach dem Rückzug der Schörghuber-Gruppe beschloss sie, die Förderung durch die Stiftung für das Haus der Kunst zu intensivieren. Das sei so etwas wie ein Geschenk an ihn. "Es ist mir wichtig", sagt Eva-Maria Fahrner-Tutsek. Der Vertrag läuft zunächst über drei Jahre und kann auf fünf Jahre verlängert werden. Was dann kommt? Fahrner-Tutsek lächelt und zuckt die Achseln. "Man wird sehen, wie sich die Finanzen der Stiftung entwickeln und wie dann die Vertragssituation von Okwui Enwezor sein wird."

Wichtig im Zusammenhang mit dem Engagement ist ihr, dass "das Haus der Kunst international agiert und durch Okwui Enwezor international vernetzt ist". Denn, so sagt sie, "die zeitgenössische Kunst hat auch die Aufgabe, ein Seismograf für gesellschaftliche Strömungen zu sein". Gesellschaftliche Befindlichkeiten aufgreifen und darstellen, das will man auch mit den Ausstellungen, die in der denkmalgeschützten Jugendstilvilla der Alexander Tutsek-Stiftung in Schwabing, einem ehemaligen Bildhaueratelier, präsentiert werden. Derzeit ist dort die Werkschau "Life Is Not A Beach" zu sehen, bei der zeitgenössische Fotografie und Skulptur aus Glas und Mixed Media gezeigt werden. Drogensucht, Trauer, Krankheit, Angst und Gewalt, Heimatlosigkeit und Flucht werden hier thematisiert. Harter Stoff also - und thematisch nah an den Problemen unserer Zeit.

Fahrner-Tutsek führt die Stiftung, die sie und ihr Mann Alexander vor 16 Jahren gründeten und mit deren Hilfe Kunst und Wissenschaft gefördert werden. "Wir waren nie Sammler", erzählt sie rückblickend, "aber wir waren offen für Bereiche, die gerne mal übersehen werden". Dann stieß das Ehepaar auf Kunst in Glas und anderen Materialien, ohne deshalb Glaskunst im klassischen Sinn sein zu müssen. Dabei stellten sie fest, dass das auch so ein Bereich ist, der mitunter übersehen wird. Was in den USA und in Australien längst anerkannt und weitreichend gefördert wird, findet hierzulande oft nur wenig Beachtung. "Aber oft sind Stiftungen ja auch Vorreiter", so Fahrner-Tutsek. "Sie sehen etwas, was andere noch nicht sehen." Sie ist überzeugt, dass die Bedeutung von Stiftungen und privatem Mäzenatentum bei der Förderung von Kunst in Deutschland in Zukunft steigen wird. Den Staat will sie deswegen keineswegs aus der Verpflichtung entlassen. Ausschließlich privates Sponsoring nach amerikanischem Vorbild hält sie nicht für die optimale Lösung.

Die Stiftung fördert neben der Kunst auch Wissenschaft und Forschung im Bereich Glas, Keramik, Steine und Erden sowie Ingenieurswissenschaften. Auch so "übersehene Bereiche", wie die Stifter feststellten. Einzelne Forschungsprojekte, aber auch Hochschulen werden unterstützt, Nachwuchstalente gefördert und Stipendien vergeben.

Zudem ist die Alexander Tutsek-Stiftung Gesellschafter der Refratechnik. Das weltweit agierende Unternehmen mit Sitz in Ismaning ist Hersteller von Feuerfestwerkstoffen, mit denen beispielsweise Müllverbrennungsanlagen ausgekleidet werden. Eva-Maria Fahrner-Tutsek, gebürtige Hamburgerin, die unter anderem lange in Paris gelebt hat, ist studierte Psychologin und Soziologin. Mittlerweile scheint sie in der Welt der feuerfesten Werkstoffe aber auch gut bewandert zu sein und jettet nicht nur in Sachen Kunst rund um den Globus. So geht es bei ihrem augenblicklichen Besuch in Kanada nicht um Kunst, sondern sie besucht eine Mine, die riesige Magnesiumvorkommen birgt. Eva-Maria Fahrner-Tutsek ist nicht nur eine viel beschäftigte, sie scheint auch ein vielseitige Frau zu sein.

Life Is Not A Beach , Alexander Tutsek-Stiftung, Karl-Theodor-Straße 27, bis 2. September, Di-Fr 14-18 Uhr

© SZ vom 13.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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