Oper:Kindlich außergewöhnlich

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Begehrte Damen, liebestolle Männer und liebesfeindliche Tanten: Dominik Wilgenbus' und Alexander Krampes frischer Blick auf "La Finta Semplice". (Foto: Sabina Tuscany)

Die Kammeroper München hat die richtige Mischung aus Respekt und Anarchismus: Im Cuvilliés-Theater ist das Mozart-Frühwerk "La Finita Semplice" wieder zu sehen

Von Rita Argauer

Das Jugendwerk Mozarts hat derzeit Konjunktur. Noch bevor der Pianist Martin Stadtfeld dessen fast vergessenes Londoner Skizzenbuch veröffentlichte, brachte die Kammeroper München in ihrer diesjährigen Sommerproduktion "La Finta Semplice" auf die Bühne - Mozarts erste Oper, komponiert hatte er die mit elf Jahren.

Ein wenig hat so etwas ja auch immer was Effekthascherisches: Man kann sich dieser Werken kaum erwehren, jedwede Kritik perlt daran ab: Denn schlecht kann man das ja gar nicht finden, weil das ja noch ein Kind war, welches da komponierte. Doch während Stadtfeld dem kindlichen Genie mit rührend hehrer Ernsthaftigkeit begegnete, traute man sich bei der Kammeroper München, in das Werk einzugreifen. Die Zusammenarbeit von Regisseur Dominik Wilgenbus und dem Arrangeur Alexander Krampe hat bei der Kammeroper schon oft zu überraschenden Ergebnissen geführt; auch weil sich die beiden Künstler solchen Werken immer mit einer gewissen Prise Anarchismus nähern. Einem, der die Werke meist von all dem untertänigen Respekt, den sie auf Grund ihres Alters und der Genies, die sie schrieben, einfordern, befreit. Und dennoch bleiben die beiden der Musik gegenüber frisch, wach und respektvoll. So größenwahnsinnig wie die erfundene Schubert-Oper "Kaspar Hauser", die sie im Jahr zuvor aufführten, waren die beiden bei "La Finta Semplice" zwar nicht, dennoch griffen sie in das Libretto und die Musik ein.

Beim Libretto bot sich das auch an. Mozarts Librettist Carlo Goldoni hat ein stereotypes Verwechslungsspiel um begehrte Damen, liebestolle Männer und liebesfeindliche Brüder geschaffen. Mozart setzt da Musik dazu, wie es zu dieser Zeit den Konventionen entsprach, vor allem in der formalen Sprache. Dass er einen ganz außergewöhnlichen Sinn für Dramatik, Harmonik und für musikalische Spannungsbögen hatte - auch als Elfjähriger schon -, fällt dabei ebenso auf wie bei seinem Londoner Skizzenbuch. Das ist etwas, das nichts mit Reife zu tun hat, sondern in Mozarts Musik tatsächlich schon immer angelegt war; etwas, wo der Genie-Begriff funktioniert. Dass ein permanenter Trio-Satz der Streicher (erste und zweite Violine, sowie Bratsche, Cello und Kontrabass unisono) plus Basso Continuo auch heute noch etwas dünn wirkt, daran traute sich Krampe aber heran. Er erweiterte den Streichersatz um eine eigene Bratschenstimme und fügte mit dem Akkordeon zusätzliche Fülle hinzu, die das Klangbild ziemlich zu ändern vermag.

Das passt aber wiederum zu Dominik Wilgenbus' Regie-Idee. Der brachte die Geschichte noch ein Stück näher in Richtung der Commedia dell'Arte und vertauschte ein paar Geschlechter: Aus den liebesfeindlichen Brüdern machte er liebesfeindliche Tanten - gesungen von zwei verkleideten Männern. Das Straßentheaterflair wird noch unterstützt von Akkordeon und den Texten. Denn Wilgenbus übersetzte das Original ins Deutsche und kürzte das Stück auf bekömmliche knappe zwei Stunden.

Premiere hatte diese Neufassung in den Sommerferien im Hubertussaal in Schloss Nymphenburg. Zu Weihnachten kommt es zur Wiederaufnahme im Cuvilliés-Theater.

La Finta Semplice , Samstag, Sonntag und Dienstag, 26., 27. und 29. Dezember, sowie Freitag, 1. und Samstag, 2. Januar, 19.30 Uhr, Cuvilliés-Theater, Residenzstraße 1

© SZ vom 24.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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