Oper:Entscheidendes fehlt

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John Lundgren als Wotan in der Bayreuther "Walküre". (Foto: Enrico Nawrath)

Placido Domingo als Dirigent der "Walküre" in Bayreuth

Von Klaus Kalchschmid, Bayreuth

Der Sänger Placido Domingo hatte den großen Traum, einmal im Bayreuther Festspielhaus zu dirigieren, was ihm nun endlich erfüllt wurde mit einer nicht im Sinne Richard Wagners aus dem "Ring des Nibelungen" herausgeschnittenen "Walküre". Wahrscheinlich sollte man über eine Aufführung unter kühleren Temperaturen berichten, denn zur Premiere wirkte Vieles unfertig. Von Kommunikationsproblemen zwischen Bühne und Graben sei nicht die Rede, aber wenn sich erst im zweiten Aufzug leidlich Spannung einstellt, erst der dritte Fahrt aufnimmt und vieles in Wotans Abschied nicht leuchtet, dann bleibt zwar immer noch der magische Klang aus dem "mystischen Abgrund", aber Entscheidendes fehlt.

Dabei hatte Domingo ein Weltklasse-Orchester und die besten Stimmen zur Verfügung, die sich für den "Ring" finden lassen. Von John Lundgren als Wotan versteht man jedes Wort und auch die Mischung aus Würde und Brutalität, Selbstbewusstsein und Schwäche überzeugt. Sein perfekt geführter, ebenso schlanker wie durchsetzungsfähiger dramatischer Bariton passt zur Brünnhilde Catherine Fosters wunderbar. Dass sie als Einzige der ursprünglichen Besetzung übrig blieb, merkt man an in jeder Hinsicht intensivem, facettenreichem Agieren. Erneut ist man beglückt, einen goldleuchtenden jugendlich-dramatischen Sopran mit müheloser, leichter Höhe zu erleben, der auch in tieferen Lagen nichts an Präsenz einbüßt.

Anja Kampe und Stephen Gould passen nicht so gut zusammen: Sie ist eine flammend expressive, wie unter Strom gesetzte Sieglinde, er kann sich als Zwillingsbruder Siegmund auf seinen wuchtigen Heldentenor verlassen, aber wenig flexibel und differenziert singen. Dagegen ist Hunding in Gestalt von Tobias Kehrer ein wendiger junger, attraktiver Mann, der mit jugendlich kraftstrotzendem Bass aggressiv nach allen Seiten hin Grenzen auslotet. Auch Fricka fordert durch Marina Prudenskaja mit prägnantem, keinen Widerspruch duldendem Mezzo nachdrücklich Gesetz und Ordnung ein. Eine der schönsten Szenen in Frank Castorfs Inszenierung aus dem Jahr 2013 ist die der Walküren. Jede hat sich individuell und üppig wie für einen Galaabend des 19. Jahrhunderts in Frankreich gewandet und stolziert, für Großaufnahmen gefilmt, auf den Treppen der gewaltigen Holzkonstruktion Aleksandar Denićs auf und ab. Das ergibt nicht zuletzt einen wunderbar gestaffelten Klang. Gewaltiger Wachturm an großer, möblierter Scheune, Ölfässer, Werbung in kyrillischer Schrift, dazu Revolutions-Filme Eisensteins: Frank Castorfs Überblendung der "Ring"-Parabel vom Raub des Golds mit Profitsucht und Raubbau am "Schwarzen Gold" des Erdöls verpufft, wenn die anderen Teile fehlen.

© SZ vom 02.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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