Open Air:"No Rain, No Rain"

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Zur Harmonie beim Bluesfestival auf dem Rotkreuzplatz

Von Dirk Wagner, München

"No Rain, No Rain", skandieren Besucher des Bluesfestivals auf dem Rotkreuzplatz wie einst die Besucher des Woodstock-Festivals. Denn nach einem sonnigen Festivaltag wurde das letzte Konzert vom Regen gestört. Blöderweise bewirkte der einen Stromausfall, weswegen der Voodoo-Blues-Musiker Dr. Will sich schon genötigt sah, seinen Auftritt abzubrechen. "Wir sehen uns Freitag auf dem Woodstock-Festival in der Muffathalle", ruft er den Zuschauern ohne Mikrofon zu.

Doch dann ist die Stromversorgung wieder hergestellt, der Gastmusiker Schorsch Hampel ergänzt schließlich doch noch das Ensemble um Dr. Will. Als habe die Unterbrechung die Vergänglichkeit unterstrichen, feiern Band und Publikum nun umso ausgelassener. Der Totenschädel vor dem Schlagzeug grinst dazu. Der Gitarrist Saschmo Bibergeil fingert dabei derart virtuos über die Saiten, als wollte er, einem Hochleistungssportler gleich, einen Weltmeistertitel verteidigen. Dr. Will, dessen Gesang auch mal an Tom Waits oder Dr. John erinnert, versteht es zudem, sich immer wieder und trotz seiner optischen Extravaganz zurückzunehmen, um Mitstreitern die Rampe zu überlassen. Dem Gastsänger San 2 zum Beispiel, der seine Bluesharp regelrecht zum Glühen bringt. Dr. Will seht dann ein wenig abseits und spielt mit Löffeln einen zusätzlichen Rhythmus auf einem Waschbrett. Oder er wechselt zum Schluss ganz zum Schlagzeug, während sein Gitarrist auf Dick Dales Surf-Hit "Miserlou" reitet. Damit schließt das schon traditionelle Sommerfest des einst am Rotkreutzplatz beheimateten Live-Clubs Hide Out. Wie bei kaum einem anderen Festival dieser Art mischen sich dabei die Generationen, so dass hier seit zwei Uhr nachmittags Alt und Jung gemeinsam den Blues feiern.

Rückblickend wird der Blues allzu oft als Vorgeschichte des Rock 'n' Roll diffamiert. Womöglich, weil der frühe Rock 'n' Roll gern bewährte Blues-Songs übernommen hat. Wie etwa den 1935 entstandenen Hit "Busy Bootin" des Slide-Gitarristen Kokomo Arnold. Das um den aus New Orleans stammenden Kontrabassisten Ryan Donohue verstärkte Münchner Duo Black Patti spielt ihn so, wie er tatsächlich in jener Prä-Rock 'n' Roll-Zeit zu hören war - man erkennt darin schon den späteren Little-Richard-Hit "Keep-A-Knocking". Und doch wirkt auch dieser Song, von Black Patti gespielt, wohltuend lässiger. Ideal also für den hochsommerlichen Sonntagnachmittag, den man hier auf Bierbänken sitzend ebenso genießen kann wie vor der Bühne tanzend. Etwa zu den rockigeren Klängen von The Sonic Brewery, die die Rolling Stones quasi in deren "Midnight Rambler"-Bluesharp-Solo abholen. Oder zum Partysound der The Donnelly Connection, die sogar den Curtis Mayfield-Klassiker "Move On Up" noch weiter nach oben treibt.

Dass heuer zudem der Löwengarten aus der Volkartstraße die Gastro-Stände bereichert, verdeutlicht, wie sehr auch die Nachbarn dieses dem Blues gewidmete Volksfest schätzen.

© SZ vom 13.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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