NS-Raubkunst:Politisches Nachbeben

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Die Freien Wähler in Bayern fordern im "Fall Gurlitt" einen Untersuchungsausschuss. Die Auseinandersetzung um die Sammlung des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt, die in Deutschland zum Synonym für Raubkunst wurde, geht damit in die nächste Runde.

Von Catrin Lorch

"Aufklärung, Verantwortung und Gerechtigkeit", fordert Peter Bauer, Abgeordneter der Freien Wähler im Bayerischen Landtag, im Fall Gurlitt. Er hat zusammen mit seinem Fraktionskollegen Florian Streibl gleich drei Anfragen an die Bayerische Regierung gestellt und ist nach Eingang der Antworten, die der SZ exklusiv vorliegen, so erbost, dass er nicht ausschließt, sich noch in diesem Herbst um die Einrichtung eines "Untersuchungsausschusses" zu bemühen, wie er auf Anfrage mitteilte.

Damit kündigt sich ein politisches Nachbeben der fünf Jahre währenden Auseinandersetzungen um die Sammlung des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt an, die in der Wohnung seines Erben Cornelius Gurlitt in München im Jahr 2012 beschlagnahmt worden war und seither in Deutschland zum Synonym für Raubkunst wurde.

Peter Bauer hatte unter anderem nach der Rolle der Staatsanwaltschaft gefragt und nach den juristischen Grundlagen für die Beschlagnahmung der Sammlung. Außerdem fragte er, ob kostbare Werke nicht unter das Kulturgutschutzgesetz fallen und nicht in die Schweiz hätten ausgeführt werden dürfen, als das Kunstmuseum Bern zum Erben bestimmt worden war.

Die Antworten aus dem Justizministerium und dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst nennt er "ausweichend". Peter Bauer, der sich auch im Fall Mollath um Aufarbeitung bemühte, sagt, ihm gehe es vor allem um die Frage, wie weit das Rechtsstaatsprinzip im Fall Gurlitt überhaupt noch Gültigkeit habe.

Tatsächlich ergibt sich aus den Formulierungen von Winfried Bausback für das Justizministerium wenig Konkretes: Die Aktivitäten der Staatsanwaltschaft werden vor allem mit dem Verdacht auf Steuerhinterziehung begründet und damit, dass sich unter den Werken der Sammlung womöglich Raubkunst und sogenannte "Entartete Kunst" befunden hätte, mit deren Vermarktung Hildebrand Gurlitt beauftragt worden war. "Mit dem Bekanntwerden des Kunstfundes wurde weltweit Aufklärung verlangt und die Berücksichtigung der Ansprüche möglicher Alteigentümer eingefordert", heißt es in dem Antwortschreiben der Bayerischen Landesregierung. Juristisch ist diese Begründung aber nicht stichhaltig: Die Washingtoner Erklärung zur Rückgabe von Raubkunst bezieht sich nicht auf private Sammlungen, sondern gilt nur für Museen. "Entartete Kunst" ist von Rückgabeverpflichtungen nicht betroffen.

Bauer ist derzeit nicht der einzige Parlamentarier, der sich um die Aufarbeitung des als "Fall Gurlitt" apostrophierten Skandals bemüht (SZ vom 13. August). Mit der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP wird für Ende dieser Woche gerechnet, der Bundestagsabgeordnete Hartmut Ebbing interessiert sich vor allem für die Rolle der von der Kulturstaatsministerin Monika Grütters gegründeten "Taskforce" und dafür, inwieweit die Bundesregierung Einfluss auf das Verfahren genommen habe. Eines scheint sicher: Wenn in der kommenden Woche am Freitag, 14. September, in Berlin im Martin-Gropius-Bau die zweite Station der Ausstellung "Bestandsaufnahme Gurlitt. Ein Kunsthändler im Nationalsozialismus" eröffnet wird, ist der Fall weder aufgearbeitet noch museumsreif. Das Nachspiel beginnt womöglich gerade erst.

© SZ vom 06.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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