Nobelpreis für Handke:Ein Stand der Debatte

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Schriftsteller und Wissenschaftler üben Kritik an der Kritik an Peter Handke und ein Journalist sammelt noch mehr Fußnoten.

Von Marie Schmidt

Namhafte Schriftstellerinnen und Literaturwissenschaftler haben am Donnerstag eine Erklärung veröffentlicht, mit der sie Kritik an der Form üben, die die Kritik an Peter Handke angenommen hat, seit ihm der Literaturnobelpreis zuerkannt wurde. Sie bestehe "fast nur noch aus Hass, Missgunst, Unterstellungen, Verzerrungen und Ähnlichem mehr, sie ist zu einer Anti-Handke-Propaganda verkommen, der jedes Mittel recht ist, um gegen Peter Handke recht zu behalten".

Insbesondere bezieht sich das auf Artikel über einen jugoslawischen Reisepass, der Handke 1999 ausgestellt worden ist. Eine Abbildung davon hatte der Journalist Peter Maass, der für die investigative Plattform The Intercept schreibt, in einem öffentlich zugänglichen Archiv gefunden. Unter der Rubrik "Staatsbürgerschaft" steht in dem Dokument "jugoslawisch". Ob Handke diese Staatsbürgerschaft zusätzlich zur österreichischen auch wirklich angenommen habe, sei nicht auszumachen, so Maass.

Das wiederum veranlasste die österreichische Tageszeitung Der Standard zu einer Anfrage beim Kärntner Staatsbürgerschaftsreferat. Weil doppelte Staatsangehörigkeit in Österreich nur in Ausnahmen erlaubt ist, hätte Handke, so die Zeitung, dort darum ersuchen müssen: "Die Landesamtsdirektion wurde nun von Landeshauptmann Kaiser damit beauftragt, den Sachverhalt zu prüfen."

Gegen diesen Artikel richtet sich die Erklärung der Intellektuellen: "Man will offenbar Handke mit aller Gewalt zu einem ,serbischen Staatsbürger' oder ihn staatenlos machen." Weiter heißt es: "Die Anti-Handke-Propaganda rechnet nicht nur mit Handke ab, sie rechnet mit jedem störenden Einfluss in öffentlichen Auseinandersetzungen von Autorenseite ab."

Initiiert wurde die Erklärung von den Autoren Daniel Wisser, Doron Rabinovici, Julya Rabinowich, Teresa Präauer und Gerhard Ruiss, sowie den Literaturwissenschaftlern Klaus Kastberger und Werner Michler. Zu den mehr als hundert Unterzeichnern gehören Nora Bossong, Clemens Setz, Esther Kinsky, Helmut Lethen, Daniela Strigl und Anne Weber.

Indes hat der mit einer gewissen Besessenheit an der Sache Handke arbeitende Intercept-Autor Peter Maass einen weiteren Text veröffentlicht. Darin führt er ins Feld, zwei Mitglieder der Schwedischen Akademie hätten sich bei ihrer Entscheidung für Peter Handke auf Bücher und Autoren bezogen, die "Verschwörungstheorien" verbreiteten. Dabei geht es um die Rolle der amerikanischen PR-Firma Ruder Finn Global Public Affairs, die von der bosnischen Regierung beschäftigt wurde. Von besagten Autoren wurde ihr deshalb nachgesagt, während des Jugoslawienkrieges einseitige Berichte über serbische Konzentrationslager verbreitet zu haben.

In Anbetracht des Enthüllungstons, mit dem Maass diesen Seitenaspekt auseinandernimmt, wird die Forderung der Erklärung doch verständlicher, man möge nicht "über den Umweg einer Debatte über Peter Handke die versäumte Auseinandersetzung mit einem außerhalb der betroffenen Länder ansonsten ganz und gar verdrängten Kapitel jüngerer europäischer Geschichte nachholen".

© SZ vom 16.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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