Neues Album von Ry Cooder:Linker Weltschmerz und viel Eigensinn

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Der Gitarrist Ry Cooder hat mit Stars wie den Rolling Stones, Wim Wenders und dem Buena Vista Social Club gearbeitet. Jetzt legt er seine neue Platte vor - wie immer voller unbequemer Wahrheiten über Banker-Boni, Klassenkonflikte und die Politik im Allgemeinen. So schlecht gelaunt wie auf diesem Album war er noch nie.

Karl Bruckmaier

Jüngeren mag es unglaubwürdig scheinen: Aber es gibt Menschen, die verdanken ihre Karriere dem Eigensinn, nicht der Ein- oder Unterordnung. Wobei hier Eigensinn eher meint, dass man den eigenen Sinnen vertraut und folgt und nicht, dass man nur sich selber und den persönlichen Vorteil im Sinn hat.

Der Gitarrist Ry Cooder ist seit Jahrzehnten im Geschäft. Trotzdem kennen viele seinen Namen nicht - zu Unrecht. (Foto: AP)

Ry Cooder ist ein alter Gitarrenzausel, der nächstes Jahr 65 wird und, man darf vermuten, ein glücklicher und auch wohlhabender Mensch: dank seines Eigensinns. An seinem Eigensinn scheiterte sein Verbleib in einigen der besten Bands, die auf diesem Planeten je auf eine Bühne geklettert sind: den Rising Sons, der Magic Band, den Rolling Stones, Little Feat - und ermöglichte in ihrer Summe so unwahrscheinliche Kollaborationen wie die mit Randy Newman und Ali Farka Touré, mit den Regisseuren Wim Wenders und Walter Hill, mit dem Buena Vista Social Club und den Chieftains, mit hawaiianischen, indischen und karibischen Musikern - und ein gutes Dutzend Solo-Alben, von denen nicht eines ganz schlecht ist.

Ry Cooder hat das erste digital aufgenommene Rock-Album der Geschichte zu verantworten; eigensinnig verbot er als einer der ersten das Rauchen bei seinen Konzerten und nun scheint er Wert darauf zu legen, Amerikas letzter Linker zu sein und zu bleiben. Seit zehn Jahren dünsten seine Platten unbequeme Wahrheiten über Kapital und Capitol, Gesellschaft und Gewerkschaft aus; die nun erscheinende neue,"Pull Up Some Dust and Sit Down" (Nonesuch), ist seine wohl übelstgelaunte.

Zu einer Musik, über die Ry Cooder selbst einmal sagte, sie sei so alt, dass sie schon wieder als neu durchgehe, gibt der kalifornische Gentleman zum Einstieg den Querulanten: Wir müssen hören, dass die Banker wie die Ratten das sinkende Schiff verlassen und ein Jesse James im Himmel meint, ihre Boni sollten mit einem .44er ausbezahlt werden. Soweit, so wohlfeil. Tatsächlich hängt das Album nach diesem testosterongeladenen Beginn etwas durch; die Songs geraten Ry Cooder wie auch schon Neil Young zu eindimensional, weil Lamentos oder Lacher über den amerikanischen Ex-Präsidenten George W. Bush, verstümmelte Soldaten und geschändete Natur nur begrenzt aufklärerisch wirken im Jahr 2011.

Doch wenn dieser ideologische Staub schließlich ausreichend abgeklopft ist und Ry und seine Gang - Jim Keltner, Flaco Jimenez, Joachim Cooder, Terry Evans - mit griffbereiten Instrumenten auf der Parkbank sitzen, dann schaffen sie es doch noch, den linken Weltschmerz zu transzendieren: dann dürfen wir auch auf enttäuschte Republikaner treffen, denen mehr "law and order" auch nicht hilft und denen in "If There's A God" dämmert, dass Amerikas Rassenkonflikte nur camouflierte Klassenkonflikte sind.

Dafür stapften in "I Want My Crown" schon mal der ehemalige Vize-Präsident Dick Cheney oder Ex-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld als Biester aus der Apokalypse durchs Bild. "John Lee Hooker For President" ist einfach ein großer Spaß für jeden Bluesfreund (und der zarte Hinweis, dass hoffentlich nicht jeder Traum in Erfüllung geht); "Dreamer" treibt einem die Tränen ins Auge, und "No Hard Feelings" ist ein würdiger Schluss dieses gelungenen Albums eines politisch denkenden Oldtimers: Zuerst wird den Todsündern wider die Menschheit noch einmal ihr Tun vor Ohren geführt, doch dann schafft diese Ballade die überraschende und menschlich schöne Wende der christlichen Vergebung quasi durch Gäa, die Urmutter Erde selbst: Sollen sie doch nehmen, was sie wollen und gehen, wohin sie noch können. Sie sind zum Aussterben verurteilt, ein Irrtum der Evolution, wandelnde, geldgierige Tote, die nur noch nicht kapiert haben, dass sie nicht der Zukunft entgegen eilen, sondern dem Vergessen. Das alles macht Sinn, musikalisch wie textlich. Einen ganz eigenen Sinn.

© SZ vom 07.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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