Neue Heino-Platte mit Fußballliedern:Für das Album "Arschkarte" sollte Heino Stadionverbot kriegen

Au backe! Heino singt jetzt Fußballsongs - und die sind so schlecht, dass wir drüber reden müssen. Die Lieder in der Einzelkritik.

Von Jonas Beckenkamp

Anpfiff

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(Foto: imago/localpic)

Eigentlich ist Heino ja Schlagersänger. Der Typ mit der Sonnenbrille war irgendwie immer schon da und er sang auch irgendwie immer dieselben Lieder. Doch seit einigen Jahren scheint ihm nichts mehr einzufallen. Heino covert nur noch. Erst Popsongs auf "Mit freundlichen Grüßen" und jetzt die bekanntesten Stadionlieder des Fußballs auf "Arschkarte". Das Erscheinen des Albums ist mit Bedacht kurz vor die anstehende Fußball-EM platziert - Heino möchte eben, dass die Fans dort seine nachgesungenen Stücke singen. "Junge, jetzt haste die Arschkarte gezogen", onkelt uns Heino zu Beginn dieses musikalischen Gewaltverbrechens an. Wie wahr. "Anpfiff" ist mehr Prelude als Gesangsstück. Wobei: Was ist hier schon echte Musik? Vielmehr haben wir es mit Stadionverdummung zu tun. Und das geht schon am Anfang schief, denn das erste Stück ist eigentlich gar keins. "Oh, ohhhh, oooohhh, ohhhhh, ohhhhhh" - so geht's weiter und schnell wird klar: Heino walzt mit seiner Seven Nation Army an gerollten "Rrrrrrs" im Feldmarschallton los. Anzahl der Stadionwürste: Keine. Für diese 20 Sekunden gibt es höchstens ein Päckchen Develey-Senf.

Fußball ist unser Leben

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(Foto: imago sportfotodienst)

Wir, die Hörer, wir armen Säue, haben spätestens jetzt wirklich die Arschkarte gezogen. Wir müssen uns damit abfinden, dass Heino tatsächlich ein Cover-Album mit Grölhits aus der Kurve aufgenommen hat - "vollkommen logisch" sei das doch, wie die Plattenfirma einen wissen lässt. Schließlich ist ja bald EM und Heino hat zum Fußball seit jeher "eine leidenschaftliche Verbindung". Seine angebliche Passion fürs Pöhlen peitscht er uns im zweiten Lied "Fußball ist unser Leben" um die Ohren. Was bei den 74er-Weltmeistern noch recht unschuldig daher kam, klingt bei Heino nach Drillrock mit Trompetenfolter. Es ballert und röhrt die Über-Über-Produktion und vernebelt einem die Sinne. Erst dann merkt man: Heino heizt hier gerade erst die deutschtümelige Stube vor. Es kommt vermutlich noch schlimmer. Anzahl der Stadionwürste: Eine. Schön braun-verkohlt vom Grrrrrrrrill. (Im Bild posiert Heino bei einem Benefizspiel in Düsseldorf neben Jupp Heynckes und Günther Netzer - die spielten damals ausnahmsweise im Trikot der Düsseldorfer Fortuna)

Buenos Dias Argentina

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(Foto: imago sportfotodienst)

Schon der Fußballphilosoph Berti Vogts wusste 1978 zu berichten, dass die WM in Argentinien in einem Land statt finde, "in dem Ordnung herrscht". Er "habe keinen einzigen politischen Gefangenen gesehen", fabulierte der spätere Bundesberti. Eine Militärdiktatur konnte er genauso wenig ausmachen wie später Franz Beckenbauer Sklaven in Katar. Heino ist das alles Banane: Er schmettert seine Version von Udo Jürgens' "Buenos dias, Argentina" mit dem Timbre eines obersten Comandante und erzählt von argentinischer Folklore: "Sombreros" (sic!), eine "Senorirrrrrritaa" und "Gitarrrrrrrennnn" stellt er sich vor, als seien alle Gauchos in der Pampa eigentlich Mexikaner. Beworben werden diese 2:53 Minuten deutsche Hanswurstigkeit im Pressemäppchen übrigens als "vorpreschende Uptempo-Nummer mit sattem Bläsersatz", welche "die perfekte Plattform für Heinos markant gerolltes 'R'" bilde. Da kann man sich im Grunde nur noch bei allen Argentiniern entschuldigen und seinen Kummer in einer Flasche Malbec ertränken. Anzahl der Stadionwürste: Keine. Dieser Song verdient nur kalte Verachtung.

Was wollen wir trinken

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(Foto: imago/localpic)

Die nervtötendste Tormusik der gesamten Bundesliga bietet die Vorlage für Heinos nächsten Frontalangriff auf den Musikverstand. In Hoffenheim erklingt das Original "Was wollen wir trinken" der niederländischen Folklore-Kapelle Bots immer dann, wenn mal einer reingeht. Nun ist Heino zwar gebürtiger Düsseldorfer, aber sein Herz schlägt (unter anderem) für Hannover 96. Dort brauchen sie derzeit tatsächlich viel zu trinken, um den Abstieg zu verdauen. Heinos Produzenten panschten in diesen ohnehin schon kaum zu ertragenden Song noch ein paar Flöten vom Mittelalter-Jahrmarkt hinein, dazu macht es ritterlich Humptata und schon wähnt man sich beim Met-Trinken mit Sir Lancelot. Schlimm ist das. Aber das Schlimmste: Es gibt keine Rüstung, die einen vor diesem Schwachsinn beschützt. Anzahl der Stadionwürste: Eine Bruzzler vom Arena-Grill in Sinsheim.

54, 74, 90, 2010

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(Foto: Eva Casper)

Auch hier gilt: Wenn schon das Original auf den Index gehört, macht Heino die Nummer nicht besser. Die Sportfreunde Stiller definierten mit ihrem Werk "54, 74, 90, 2010" den Fanmeilentrash völlig neu - Heino definiert noch eins drauf. "Wir als Gast in Südafrrrrrrrikaaaaaa" rollt Deutschlands blondester Barde da, und wir sollten uns wohl einfach damit abfinden, dass "Arschkarte" jetzt endgültig ins Surreale abdriftet. "Und eins, und zwei, und drrrrrei und vier" stampft es weiter, als besänge Heino den Truppenabzug aus Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia. Es wird einem ganz braun ums Herz und dann kommt plötzlich ein Gitarrensolo um die Ecke gefingert, für das sich selbst Van Halen schämen würden. Jetzt hat Heino es geschafft: Man hasst ihn, man wünscht ihm einen Platz auf dem Mond und sich selbst eine Nacht in einem Rotterdamer Gabba-Club zum Runterkommen. Anzahl der Stadionwürste: Eine Frikandel, wo wir schon in Holland sind.

Samba de Janeiro

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(Foto: DPA)

Aber Heino kennt kein Erbarmen, er walzt einfach weiter - nun sogar auf Portugiesisch. Einen "Stimmungsmacher" will seine PR-Abteilung in "Samba de Janeiro" sehen, zu dem "in einzigartiger Heino-Kult-Manier abgefeiert werden kann". Das schreiben die wirklich im Beipackzettel von "Arschkarte"! Heino feldmarschallt sich durch ein paar Brocken Dadaismus auf Brasilianisch, während irgendwelche abgeranzten Riffs rauchigen Bluesrock versprechen sollen. Das Niveau wird mit dieser Nummer noch einmal unterboten, indem das Truck-Stop-Geklampfe und der Samba-Schwurbel einen bizarren Sound-Brei bilden, der einem den Gehörgang verklebt. Es ist alles ein entsetzlicher Schmerz - aber Hauptsache der olle Heino schwingt die Hüften. Anzahl der Stadionwürste: Ne Halbe. Mit Caipi-Flavour. Aber warum eigentlich der ganze Samba-Quatsch? Es steht doch eine Europa(!)-Meisterschaft an.

Hamburg, meine Fußballperle

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(Foto: dpa/dpaweb)

Hat hier jemand Truck Stop gesagt? "In Hamburg, meine Fußballperle" liefern Heino und HSV-Stadionsänger Lotto-King-Karl ein Duett ab, zu dem Brummi-Fahrer auf der A7 durch die Lüneburger Heide bestimmt gerne mal ein Astra kippen würden. Heinos "künstlerischer Beitrag" liegt dabei - wie auf dem Rest der Platte - im Promillebereich (hihi, Astra, Promille, checkste?). Dass das Lied unter den Stadionsongs der Bundesliga noch eines der besseren ist, vergisst man bei dieser Version leicht. Und so bleibt einem nichts anderes übrig, als sich zu wünschen, dass Heino ("Hamburg, meine Perrrrrrrrrlää") und der Dino HSV endlich absteigen. Hinunter in den Äther der Kreisligen, wo sie niemand mehr hört und spielen sieht. Anzahl der Stadionwürste: Drei, Digger. Aber nur weil du's bist, Hamburch.

Schwarz und Weiß

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(Foto: obs)

Spätestens bei dieser Nummer beschleicht einen das Gefühl, dass Heino es mit dem Fantum ohnehin nicht so ganz ernst meint. Er will halt ein paar Mark verdienen, wenn in Kürze auf den Fanmeilen wieder der Mob plärrt. Dort sollen dann Hits wie "Schwarz und Weiß" laufen, schon klar. Dabei hat Heino offenbar noch weniger für Fußball übrig als Oliver Pocher, dessen furchtbare Schland-Schwelgerei er hier gefühlslos covert. Das Authentischste an dem Stück sind noch die Ausschnitte von Live-Reportagen der Weltmeisterschaften 1954 und 1990 ("Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen..."). Der Rest klingt so: "Lalaaaaaaa, lala laaaalaaaaaaaaa." Anzahl der Stadionwürste: Ein geschmackloses Tofuwürstchen, das gerne eine Wurst wäre, aber halt Fake.

Es gibt nichts auf der Welt

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(Foto: Getty Images)

"Da ist diiiiiiieses besondrrrre Gefüüüüühl" schwindelt uns Heino auf "Es gibt nichts auf der Welt" vor - ein Stück über seine angebliche Liebe zum Spiel. Eine Nummer, bei der man sich gezwungenermaßen im Wintergarten von Dieter-Thomas Heck wähnt. Und zwar bei Herrentorte und Dallmayr Prodomo. Einen echten Schlager haut uns Heino hier noch um die Ohren, als seien diese eine Müllhalde für Musikmist. So viel Torte kann kein Mensch futtern, dass die Bauchschmerzen den Ohrenschmerz übertreffen würden, den dieses Schmalzgeträller verursacht. Zum Glück ist dies schon Track Nummer neun, da ist es nicht mehr weit zum Ende. Foltermeister Heino hat aber noch zwei in petto. Anzahl der Stadionwürste: Eine. Die erinnert uns daran, dass alles ein Ende hat - nur die Wurst nicht.

Allein bist du nie (You'll never walk alone)

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(Foto: dpa)

Die schönste, herzergreifendste und britischste aller Fußballhymnen! Und natürlich ist auch sie nicht sicher vor Heino Haudruff. Sollten sie beim FC Liverpool jemals mitbekommen, dass dieser Typ ihren Song "You'll never walk alone" derart missbraucht, wäre nichts weniger als eine Armada an Hooligans die richtige Antwort. In Heinos Version kommt der Applaus der Fans aus der PC-DJ-Konserve, der Text wurde eingedeutscht und die Stadion-Atmo liefert eine billige Hall-Software. All das ist eine Offenbarung dessen, wie sehr Heino den Fußball und seine Lieder im Grunde verachtet. Jetzt mal ganz im Ernst: Für sowas muss man doch Stadionverbot kriegen! Anzahl der Stadionwürste: Eine verschimmelte, von der einem schlecht wird.

Abpfiff

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(Foto: dpa)

Der Gipfel der Lieblosigkeit ist dann, dass Heino mit "Arschkarte" gar kein Album in Mannschaftsstärke zusammen bekommt, sondern aufgrund der Klammer mit "Anpfiff und "Abpfiff" nur neun Stücke abliefert. Den Schluss bildet also "Abpfiff" - nochmal Gitarre, nochmal die White Stripes, nochmal Bullshit. Heino, Du hast den Fußball nie geliebt. Geh doch nach Hause. Anzahl der Stadionwürste: Keine. Nichtmal Wurstwasser.

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