Netz-Depeschen:Willkommen in Google, Kansas

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Weil Google ein neues Glasfasernetz versprach, lieferten sich Bürger von Florida bis Wisconsin einen Wettkampf um die absurdeste Anbiederei.

Michael Moorstedt

Den Einwohnern von Topeka, Kansas geschieht wohl kein Unrecht, wenn man sagt, dass ihre Gemeinde eher selten Trend-Auslöser ist. Als aber Bürgermeister William Bunten Anfang März feierlich verkündete, dass seine Stadt für den kommenden Monat als Google, Kansas bekannt sein solle, startete er damit einen bizarren Wettstreit. Buntens Liebesbeweis vorausgegangen war Googles Ankündigung, man wolle zwischen 50.000 und 500.000 Menschen mit einem neuen Glasfasernetz beglücken.

Mit bis zu einen Gigabit pro Sekunde sollen die Datenpakete durch die Leitungen rauschen. Mindestens 20 Mal so schnell wie bisher möglich. All das, sagen die Google-Verantwortlichen, "zu einem marktfähigen Preis". Und so lieferten sich im Verlauf des März Bürgermeister, Stadtkämmerer und Bürger von Florida über Wisconsin nach Minnesota und Kansas einen Wettkampf um die absurdeste Anbiederei.

Sie tauchten in Haifischbecken oder eisige Seen, organisierten Paraden und komponierten Hymnen für den vermeintlichen High-Speed-Heilsbringer. In Greenville, South Carolina bildeten 2000 Einwohner das bunte Google-Firmenlogo nach, ausgestattet mit Leuchtstäben in den passenden Farben. Hinzu kamen die ebenso zahlreichen wie unvermeidlichen Facebook-Gruppen und Twitter-Nachrichten, in denen Zehntausende um Googles Gunst warben und gleichzeitig der Konkurrenz Eignung und nötigen Willen absprachen.

Im Amerika wächst die Angst, online ins Hintertreffen zu geraten. In einer OECD-Untersuchung kommen die Vereinigten Staaten gerade mal an 16. Stelle, was die Breitband-Auslastung anbelangt (übrigens nur einen Platz hinter Deutschland), ein Drittel der Einwohner hat keinen Zugang zu schnellen Internetverbindungen. Besserung war lange Zeit nicht in Sicht, im letzten Jahr sank die Zahl der High-Speed-Anschlüsse sogar. Google-CEO Eric Schmidt vergleicht die Situation mit der Schwierigkeit bei der Elektrifizierung des amerikanischen

Heartland zu Beginn des 20. Jahrhunderts. All die langsamen Leitungen seien totes Gewicht und hinderten das Land an einem möglichen Aufschwung. Zwar hat die US-Regierung erst in der vergangenen Woche angekündigt, die IT-Infrastruktur im Land zu verbessern: Der "Nationale Breitbandplan" hört sich ambitioniert an - Milliarden-Investitionen sind geplant - hat allerdings auch den Nachteil, dass er eine zehnjährige Laufzeit vorsieht und erst noch durch den Kongress gehievt werden muss. Kein Wunder also, dass sich die Gemeinden stattdessen lieber an die Machbarkeits-Maschine namens Google wenden.

Wenn die öffentlichen Investitionen stagnieren, muss man sich an die Privatwirtschaft halten. Und bemüht deshalb auch die grellsten Marketing-Mittel. Besorgte Stimmen in konsumkritischen Blogs bescheinigten den beteiligten Städten deshalb Ausverkauf und Prostitution. Doch Fortschritt sticht Würde: Als die Bewerbungsfrist am vergangenen Freitag endete, haben sich mehr als 1100 Gemeinden und mehr als 190 000 Privatpersonen für das Programm beworben.

© SZ vom 29.3.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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