Netz-Depeschen:Da kommt Stimmung auf

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Das wird fast die Party des Jahrhunderts: Omi und der Nerd verkünden per Werbeclip allgemeine Feierbedingungen für die große Windows-7-Fete. Die Netzgemeinde lacht sich Schrott.

Jean-Michel Berg

Wenn es nach Microsoft geht, dann sollen Windows-Fans bei sich zu Hause demnächst eine Party steigen lassen, um das neue Betriebssystem Windows 7 mit ihren Freunden abzufeiern. "Es ist, als gäbe man einfach eine Party und Windows 7 ist der Ehrengast", erläutert ein Werbeclip auf YouTube. Gastgeber müssen sich verpflichten, eine Party mit "viel Spaß und guter Stimmung auszurichten" und werden dafür von Microsoft mit Luftballons und anderen Partyutensilien ausgestattet. In den allgemeinen Feierbedingungen heißt es weiterhin: "Gastgeber, die unser Vertrauen missbrauchen, verlieren ihre Partyprivilegien." Ja, da kommt Stimmung auf.

Mit dieser Marketingidee der amerikanischen Eventagentur Houseparty Inc. hat Microsoft offenbar einen Nerv getroffen - nur welchen? Im Internet wird gestritten, ob die Sache ein Lehrstück in Viral-Marketing ist, weil alle darüber sprechen, oder ein rufschädigendes Desaster, weil niemand ein gutes Haar daran lässt. James Lileks schreibt in seinem Blog The Bleat etwa: "Hätte jemand Microsoft damit beauftragt, Sex zu vermarkten, wäre die menschliche Rasse ausgestorben, weil niemand sich dabei erwischen lassen will, etwas so Uncooles zu machen."

Wer nicht genau weiß, wie man eine Party feiert, findet auf YouTube ein Dutzend Feiervorlagen von Microsoft zu bestimmten Features des neuen Betriebssystems wie etwa "Burn A Party Music CD". In dem sechsminütigen Einführungsvideo "Hosting your Party" stehen vier unwahrscheinlich gutgelaunte Menschen in einer ebenso unwahrscheinlichen demographisch-multikulturellen Idealmischung zwischen bunten Luftballons in einer Küche, und eine Frau sagt: "Es war großartig, es war nicht förmlich, wir saßen einfach so in der Küche am Computer rum." Dann lachen alle ganz ungezwungen und essen Häppchen.

Ob das wirklich ernst gemeint ist, jedenfalls insoweit Werbung ernst gemeint sein kann, ist umstritten. Ian Douglas bezweifelt auf telegraph.co.uk, dass Microsofts Werbeleute "je in ihrem Leben das Haus verlassen oder mit einer realen Person gesprochen haben". Und in einem sehr lesenswerten Essay attestiert der Guardian-Kolumnist Charlie Brooker dem Video, ein bislang unbekanntes Gefühl zu erzeugen. Es sei "ein Gemisch aus Schwindel, Ekel, Ärger und Scham", das er Shitasmia nennt, eine Art aggressive Fremdscham also.

Manch einer hält die Videos allerdings für "camp", also für eine Inszenierung des schlechten Geschmacks, der Aufmerksamkeit erzeugen soll und dabei auch "unsere Werbegewohnheiten unterminiert", wie ein Kommentator in dem Medienblog Agencyspy glaubt.

Tatsächlich aber fehlt es Microsoft nicht an Aufmerksamkeit, sondern an Vertrauen. Denn fast jeder benutzt zwar mehr oder weniger freiwillig Windows - aber kaum einer mag es so richtig. Die Tupperwareparty-Taktik ist durchaus ernst gemeint. Microsoft will die persönlichen Freundschaften anzapfen, um das Vertrauen zwischen realen Menschen auf sein Produkt umzulenken.

Die irrealen Menschen in den Videos sind nur ein Mittel zum Zweck, wenn auch vermutlich ein untaugliches. Aber immerhin gewähren sie einen Einblick in das bizarre Paralleluniversum einer idealen Warenwelt.

© SZ vom 5.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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