An eine Geisterstadt fühlt sich Adam Boult von der Online-Ausgabe des britischen Guardian erinnert, wenn er sich auf den Seiten von Myspace umschaut, dem einstmals größten und stolzesten unter den sozialen Netzwerken. Tatsächlich: Wohin man dort auch schaut, erblickt man die seit Jahren vor sich hin dämmernden Profile von Menschen, die, wie Boult anmerkt, meist eine letzte Nachricht hinterlassen haben: "Bin bei Facebook".
Um fast die Hälfte ist die Zahl der Besuche bei Myspace innerhalb eines Jahres zuletzt gesunken. 130 Millionen Nutzer behauptet Myspace noch zu haben, auch wenn der Branchenanalyst comScore nur noch 90 Millionen zählt. So oder so zu groß, um wirklich als tot zu gelten. Aber seit Jahren befindet sich die Seite in einer Abwärtsspirale der Nutzerzahlen, des kommerziellen Erfolgs und im Image bei der Zielgruppe.
Den vielleicht letzten großen Versuch, wieder Leben in die Geisterstadt zu bringen, unternahm der derzeitige Unternehmenschef Michael Jones in der vergangenen Woche. Es ist der Beginn eines groß angelegten Relaunchs. Für die sogenannte Generation Y der 13- bis 35-Jährigen soll die Seite aufgeräumter und im Design frischer werden. Im neuen Logo nimmt nun eine Leerstelle den Platz des Wortes "space" ein. Dieser symbolische Freiraum soll wohl bevorzugt durch den Konsum von noch mehr Musik aufgefüllt werden.
Vom Freundefinden dagegen ist im neuen Konzept kaum noch die Rede. Myspace, das bis vor zwei Jahren noch das nach Nutzerzahlen größte soziale Netzwerk war, hat den Wettlauf mit Facebook offensichtlich aufgegeben. Firmenchef Jones kann denn auch gar nicht genug betonen, dass das generalüberholte Myspace "ein völlig neues Produkt" sei. Vernetzen kann sich weiterhin, wer mag. Aber besonders wichtig scheint das Jones nicht mehr. "Wir sind kein Social Network", behauptete er gar im Interview mit Forbes.
Auch Rupert Murdoch persönlich "liebt die neue Strategie", versichert Jones. Viel anderes bleibt dem Medienmogul auch nicht übrig. Für 580 Millionen Dollar hatte Murdochs News Corp 2005 die Anteile an Myspace erworben. Die Zeitschrift Businessweek zitiert Analysten, die den Unternehmenswert heute bei nur noch etwas mehr als der Hälfte ansetzen. Vielen scheint es da wahrscheinlicher, dass Murdoch bloß versucht, Myspace für einen raschen Verkauf aufzuhübschen, als dass er noch die Geduld aufbrächte, den langsamen und unwahrscheinlichen Wiederaufstieg der Geisterstadt zu begleiten.