Nachruf:Urwüchsig

Hansheinz Schneeberger, der führende Geiger der Schweiz, ist mit 93 Jahren gestorben. Er war ein feinnerviger Musiker, der das Neue beförderte.

Von Harald Eggebrecht

Dieser knorrige Mann mit dem wuchtigen Charakterkopf und dem kernigen Berner Dütsch hätte jederzeit auch als Darsteller in einem Schweizer Bergfilm überzeugt. Aber entgegen aller äußeren Urwüchsigkeit war Hansheinz Schneeberger, Jahrgang 1926, ein ausgesprochen feinnerviger Künstler, zu dessen Lieblingskomponisten Claude Debussy, Maurice Ravel und der unterschätzte Albert Roussel gehörten. Das passte zu seinen literarischen Vorlieben Mallarmé, Verlaine und Rimbaud. Schneeberger zeichnete in seinem Violinspiel noch etwas anderes aus: Es wirkte nie glatt, konventionell oder geleckt, sondern geprägt von einer Neugier, die aus seinen Aufführungen etwa von Bachs Solosonaten und -partiten oder Béla Bartóks und Frank Martins Violinkonzerten spannende Expeditionen in immer neu zu entdeckende Musikkontinente machten.

Nach Studien bei Walter Kägi, Carl Flesch und Boris Kamensky wurde Schneeberger rasch zum führenden Geiger der Schweiz. Er blieb ihr bis auf einen dreijährigen Ausflug als Konzertmeister beim NDR in Hamburg treu. Neue Musik lockte ihn: 1952 führte er als Erster Frank Martins Violinkonzert auf, er hob als Erster das angeblich verschollene 1. Violinkonzert von Bartók 1958 ans Licht, und er war der Erste 1970 bei Klaus Hubers "Tempora". Aber auch Paganini und Zugabe-Miniaturen vermochte er mit unverkennbarem, im besten Sinne aufgerautem Ton wahrlich zum "Sprechen" zu bringen. Bis ins höchste Alter strahlte dieser große Geiger Originalität und Frische aus.

© SZ vom 31.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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