Nachruf:Schauspieler Albert Finney ist tot

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Er war ein prägendes Gesicht des "New British Cinema" in den Sechzigerjahren, gab einen großen Hercule Poirot - und half später Julia Roberts in "Erin Brokovich" und Daniel Craig in "Skyfall".

Von Fritz Göttler

Er ist das Monster, das langsam aus dem Meer auftauchte und mit ausgestreckten Armen begehrlich auf die junge Frau zutorkelte, um ihr einen Kuss abzutrotzen. Die junge Frau ist Audrey Hepburn, das Monster ist der Mann, in den sie verliebt war und der sie heiraten wird, Albert Finney, in dem Film "Two for the Road/Zwei auf gleichem Weg", 1970, die zwei sind jung und verspielt und albern fröhlich herum. Das wird nicht so bleiben, auf späteren Fahrten an die Côte d'Azur in den Jahren darauf werden die Liebe und die Ehe auf die Probe gestellt.

Albert Finney verließ mit diesem Film - der hinauszog unter die Sonne am Mittelmeer, inszeniert vom Hollywoodmeister Stanley Donen - die triste Enge der britischen Kinos, wo er in den Sechzigern erfolgreich begonnen hatte, mit Karel Reisz ("Saturday Night and Sunday Morning" oder "Night Must Fall") und Tony Richardson machte ("Tom Jones"). Kitchen sink nannte man die Filme, die damals entstanden und das Nachkriegskino revolutionierten, weil sie in den engen Wohnungen Londons und anderer britischer Städte spielten, in denen es wenig Luftzug gab, in den Küchen, am Spülbecken ( kitchen sink).

Es waren Filme, in denen man zum Überleben eine heftige Portion Vitalität und Überschwang brauchte, und Albert Finney hatte diese reichlich - in "Saturday Night ..." verliebt er sich in eine verheiratete Frau und schwängert sie, zu einer Zeit, als Abtreibung strafbar war! Natürlich hatte er dabei oft eine Tracht Prügel einzustecken, und manchmal gab es auch einen perversen, mörderischen Zug in seinem Verlangen. Als Tom Jones, Held der Verfilmung des berühmten Romans von Henry Fielding, durfte er diesen Überschwang voll ausspielen, das filmische Erzählen auf radikale Weise reflektieren und - der Ausdruck war damals natürlich noch nicht gebräuchlich - dekonstruieren. Der Hercule Poirot, den er in "Mord im Orientexpress" verkörperte, mit exakt gekringeltem Schnurrbart, hat ihn weltbekannt gemacht, aber auf einen festen Rollentypus hat er sich nie festgelegt, er spielte den Ebenezer Scrooge in einer Dickensverfilmung oder den Säufer-Konsul in der Malcolm-Lowry-Verfilmung "Under the Vulcano" , war sympathisch zuverlässig an der Seite von Julia Roberts in "Erin Brockovich" oder von Russell Crowe in "A Good Year", und blieb dem Old Vic in London treu, mit diversen Shakespeare-Rollen. Zuletzt stand er Daniel Craig als James Bond zur Seite, als der nach "Skyfall" zurückkehrte, ins Haus seines Vaters, wo Finney der Hausmeister war. In diesem Moment war in diesem kalten Genre eine schöne Familienwärme zu spüren. Am Freitag ist Albert Finney im Alter von 82 Jahren gestorben.

© SZ vom 09.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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